Februar 2024

Arbeitsrecht

Fehlverhalten: Trinkgelage beim Arbeitgeber nach der Weihnachtsfeier: Arbeitsverhältnis beendet

Nach einer beendeten Weihnachtsfeier fand ein Trinkgelage in den Räumlichkeiten der Arbeitgeberin statt. Die Folge: Arbeitnehmer und Arbeitnehmerin haben sich jetzt vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf auf dessen Vorschlag auf eine Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses geeinigt.

Das war geschehen

Der Arbeitnehmer war seit dem 1.6.2021 als Gebietsmanager Mitte (NRW) im Außendienst bei der Arbeitgeberin, einer Winzergenossenschaft, beschäftigt. Am 12.1.2023 fand bei dieser eine Weihnachtsfeier statt. Nach der Begrüßung im Betrieb mit einem Sekt fuhren die Beschäftigten gemeinsam mit einem Bus zu einem externen Restaurant. Gegen 23:00 Uhr fuhr der Bus die Beschäftigten, die dies wollten, zurück zur firmeneigenen Kellerei.

Der Arbeitnehmer hatte sich dieser Gruppe angeschlossen. Eine Fortsetzung der Weihnachtsfeier im Betrieb war nicht vorgesehen. Der Arbeitnehmer traf sich mit zwei weiteren Kollegen im ca. 500 Meter vom Betrieb entfernten Hotel, um dort eine Flasche Wein zu trinken. Danach gingen er und ein Kollege zurück zum Betrieb der Arbeitgeberin. Das Tor zum Betriebsgelände wurde mit der Zutrittsberechtigungskarte des Kollegen geöffnet. Im Aufenthaltsraum der Kellerei tranken der Arbeitnehmer und sein Kollege vier Flaschen Wein. Die leeren Flaschen standen am nächsten Morgen auf dem Tisch. Im Mülleimer befanden sich zahlreiche Zigarettenstummel. Auf dem Fußboden lag eine zerquetschte Mandarine, die zuvor an die Wand geworfen worden war. Einer der beiden Mitarbeiter hatte sich neben der Eingangstür erbrochen. Das Hoftor stand offen. Der Kollege des Arbeitnehmers wurde am Abend auf dem Nachhauseweg von der Polizei aufgegriffen und wegen seiner starken Alkoholisierung zum Ausschluss einer Eigengefährdung nach Hause gefahren. Er räumte am 16.1.2023 gegenüber der Arbeitgeberin ein, „etwas Scheiße gebaut“ zu haben. Er bezahlte den Wein.

Fristlose Kündigung nach Betriebsratsanhörung

Nach Anhörung des Betriebsrats am 19.1.2023 und mit dessen Zustimmung vom 23.1.2023 kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer am 25.1.2023 fristlos und hilfsweise fristgerecht zum 30.4.2023. Anders als das Arbeitsgericht (ArbG) hat das LG im Rechtsgespräch zum Ausdruck gebracht, dass es eine Abmahnung im Hinblick auf die Schwere der Pflichtverletzung nicht für ausreichend erachtet. Es sei offensichtlich, dass man als Mitarbeiter nicht nach beendeter Weihnachtsfeier mit der Chipkarte des Kollegen gegen Mitternacht die Räume des Arbeitgebers betreten dürfe, um dort unbefugt vier Flaschen Wein zu konsumieren. Anhaltspunkte für eine dem Arbeitnehmer erkennbare Duldung dieses Verhaltens seitens der Arbeitgeberin seien nicht ersichtlich. Es stelle sich allenfalls die Frage, ob das Verhalten bereits eine fristlose Kündigung rechtfertige oder die Interessenabwägung zu einer ordentlichen Kündigung führe.

Nach gerichtlichem Vorschlag: spätere Kündigung

Auf Vorschlag des LAG haben die Parteien sich aus sozialen Gründen auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf der Grundlage der streitigen Kündigung mit einer sozialen Auslauffrist bis zum 28.2.2023 geeinigt.

Quelle | LAG Düsseldorf, Urteil vom 12.9.2023, 3 Sa 284/23, PM 27/2

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Arbeitsvertrag: Arbeit auf Abruf: Umfang der wöchentlichen Arbeitszeit

Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer Arbeit auf Abruf, legen aber die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit nicht fest, gilt grundsätzlich nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (hier: § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG) eine Arbeitszeit von 20 Stunden wöchentlich als vereinbart. Eine Abweichung davon kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nur angenommen werden, wenn die gesetzliche Regelung nicht sachgerecht ist und objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, die Parteien hätten bei Vertragsschluss übereinstimmend eine andere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit gewollt. So hat es das Bundesarbeitsgericht (BAG) entschieden.

Arbeitnehmerin sah einen Annahmeverzug

Die Klägerin ist seit dem Jahr 2009 bei der Beklagten, einem Unternehmen der Druckindustrie, als „Abrufkraft Helferin Einlage“ beschäftigt. Der von ihr mit einer Rechtsvorgängerin der Beklagten geschlossene Arbeitsvertrag enthält keine Regelung zur Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit. Die Klägerin wurde – wie die übrigen auf Abruf beschäftigten Arbeitnehmerinnen – nach Bedarf in unterschiedlichem zeitlichen Umfang zur Arbeit herangezogen. Nachdem sich der Umfang des Abrufs ihrer Arbeitsleistung ab dem Jahr 2020 im Vergleich zu den unmittelbar vorangegangenen Jahren verringerte, hat die Klägerin sich darauf berufen, ihre Arbeitsleistung sei in den Jahren 2017 bis 2019 nach ihrer Berechnung von der Beklagten in einem zeitlichen Umfang von durchschnittlich 103,2 Stunden monatlich abgerufen worden. Sie hat gemeint, eine ergänzende Vertragsauslegung ergebe, dass dies die nun geschuldete und von der Beklagten zu vergütende Arbeitszeit sei. Soweit der Abruf ihrer Arbeitsleistung in den Jahren 2020 und 2021 diesen Umfang nicht erreichte, hat sie Vergütung wegen Annahmeverzugs verlangt.

Gerichtliche Instanzen mit unterschiedlicher Sichtweise

Das Arbeitsgericht (ArbG) hat – ausgehend von der o. g. gesetzlichen Regelung – angenommen, die Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit im Abrufarbeitsverhältnis der Parteien betrage 20 Stunden. Es hat deshalb der Klage auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung nur in geringem Umfang insoweit stattgegeben, als in einzelnen Wochen der Abruf der Arbeitsleistung der Klägerin 20 Stunden unterschritten hatte. Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Revision der Klägerin, mit der sie an ihren weitergehenden Anträgen festgehalten hat, blieb vor dem BAG erfolglos.

Kein Umfang der Arbeitszeit vereinbart?

Vereinbaren Arbeitgeber und Arbeitnehmer, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung entsprechend dem Arbeitsanfall zu erbringen hat (Arbeit auf Abruf), müssen sie nach § 12 Abs. 1 S. 2 TzBfG arbeitsvertraglich eine bestimmte Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit festlegen.

Dann gelten laut Gesetz 20 Wochenstunden!

Unterlassen sie das, schließt § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG diese Reglungslücke, indem kraft Gesetzes eine Arbeitszeit von 20 Wochenstunden als vereinbart gilt. Eine davon abweichende Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit kann im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nur dann angenommen werden, wenn die Fiktion des § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG im betreffenden Arbeitsverhältnis keine sachgerechte Regelung ist und objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, Arbeitgeber und Arbeitnehmer hätten bei Vertragsschluss bei Kenntnis der Regelungslücke eine andere Bestimmung getroffen und eine höhere oder niedrigere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit vereinbart. Für eine solche Annahme hat die Klägerin jedoch keine Anhaltspunkte vorgetragen.

Es steht den Parteien jederzeit frei, eine Vereinbarung zu treffen

Wird die anfängliche arbeitsvertragliche Lücke zur Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit bei Beginn des Arbeitsverhältnisses durch die gesetzliche Fiktion des § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG geschlossen, können die Parteien in der Folgezeit ausdrücklich oder konkludent eine andere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit vereinbaren. Dafür reicht aber das Abrufverhalten des Arbeitgebers in einem bestimmten, lange nach Beginn des Arbeitsverhältnisses liegenden und scheinbar willkürlich gegriffenen Zeitraum nicht aus. Allein dem Abrufverhalten des Arbeitgebers kommt kein rechtsgeschäftlicher Erklärungswert dahingehend zu, er wolle sich für alle Zukunft an eine von § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG abweichende höhere Dauer der wöchentlichen Arbeitszeit binden. Allein die Bereitschaft des Arbeitnehmers, in einem bestimmten Zeitraum mehr als nach § 12 Abs. 1 S. 3 TzBfG geschuldet zu arbeiten, rechtfertigt auch nicht die Annahme, der Arbeitnehmer wolle sich dauerhaft in einem höheren zeitlichen Umfang als gesetzlich vorgesehen binden.

Quelle | BAG, Urteil vom 18.10.2023, 5 AZR 22/23, PM 42/23

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Baurecht

Betretungsverbot: Kein eigenmächtiges Einschreiten zum Schutz von Bäumen bei Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück

Das Amtsgericht (AG) Hannover hat jetzt im Wege einer sog. einstweiligen Verfügung ein Betretungsverbot für eine Baustelle im Zuge einer nachbarschaftlichen Auseinandersetzung ausgesprochen. Es hat einem Nachbarn untersagt, eine Baustelle zu betreten, um Bäume zu schützen.

Das war geschehen

Die Beteiligten des Verfahrens sind Nachbarn. Die Antragsteller errichten auf ihrem Grundstück einen Neubau. Für das Bauvorhaben besteht eine Baugenehmigung. Auf dem Grundstück der Antragsgegnerin befinden sich mehrere Bäume, unter anderem eine Birke, deren Wurzelwerk bis auf das Nachbargrundstück reicht.

An zwei Tagen betrat die Antragsgegnerin das Grundstück der Antragsteller und behinderte die dort durchgeführten Baggerarbeiten. Im Verfahren hat die Antragsgegnerin sich darauf berufen, dass sie zum Schutz des Wurzelwerks der auf ihrem Grundstück befindlichen Bäume eingeschritten sei. Sie sei davon ausgegangen, dass die sich aus der Baugenehmigung ergebenden Bestimmungen zum Schutz der auf den benachbarten Flächen befindlichen Gehölzen, Bäumen und Hecken nicht eingehalten worden seien. Daher habe sie befürchtet, dass es durch die Baggerarbeiten zu irreparablen Schäden am Wurzelwerk ihrer Bäume komme.

So sah es das Gericht

Das AG hat den Antragstellern Recht gegeben und der Antragsgegnerin aufgegeben, das Betreten des Nachbargrundstücks zu unterlassen. Zur Begründung hat es unter anderem ausgeführt, dass allein das bloße Betreten eines Grundstücks durch unbefugte Personen ohne den Willen des Besitzers unzulässig sei (sog. Besitzstörung). Auch der angestrebte Schutz der Bäume der Antragsgegnerin ändere daran nichts.

Selbsthilfemaßnahmen verstießen gegen Besitzschutzrechte

Das AG betonte: Unabhängig von der Frage, ob der Antragsgegnerin wegen der ihrerseits befürchteten Schädigung des Wurzelwerkes des auf ihrem Grundstück befindlichen Baumbewuchses überhaupt Unterlassungs- oder Beseitigungsansprüche zustehen, wären sie – selbst, wenn sie bestünden – keine taugliche Grundlage für die von der Antragsgegnerin vorgenommenen Selbsthilfemaßnahmen. Dies erkläre sich insbesondere aus dem Sinn und Zweck der von Antragstellerseite geltend gemachten Besitzschutzansprüche. Sie sollen die Kontinuität der bestehenden Besitzlage gegen Eingriffe schützen und so den allgemeinen Rechtsfrieden wahren. Die Besitzschutzrechte erschöpften sich daher darin, verbotene Übergriffe rückgängig zu machen und den eigenmächtig Handelnden in die Bahnen des justizförmigen Verfahrens zur Durchsetzung seines Rechts zu zwingen.

Vor diesem Hintergrund hätte es der Antragsgegnerin oblegen, sich zur Durchsetzung etwaiger zivilrechtlicher Ansprüche (zivil-)gerichtlicher Hilfe zu bedienen. Alternativ hätte sie gegenüber den zuständigen Behörden auf ein behördliches Einschreiten – notfalls mittels verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes – hinwirken können und müssen.

Quelle | AG Hannover, Urteil vom 16.10.2023, 435 C 8845/23, PM vom 17.10.2023

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Architektenleistung: Wärmeschutz und Energiebilanzierung keine Grundleistungen im Leistungsbild Gebäude

Fragen des Wärmeschutzes und der Energiebilanzierung gehören zu den speziellen Ingenieurleistungen für Bauphysik. Sie unterfallen der Fachplanung durch Sonderfachleute. Daher stellen sie keine Grundleistungen im Leistungsbild Gebäude dar. Das hat jetzt das OLG (OLG) Frankfurt a. M. entschieden.

Wurden Leistungen zum Wärmeschutz und zur Energiebilanzierung nicht beauftragt, ist der Architekt für diesen fachlichen Bereich allerdings insoweit verantwortlich, wie seine Fachkenntnisse dies ermöglichen. Zu mehr ist er jedoch nicht verpflichtet.

Quelle | OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 4.5.2021, 15 U 142/18

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Honorarordnung: Volles Honorar, auch wenn nicht alle Grundleistungen erbracht wurden

Allein mit der Rüge, es seien nicht alle gemäß Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (hier: § 34 HOAI) aufgeführten Grundleistungen erbracht worden, kann der Auftraggeber das Honorar nicht wirksam mindern. Es sind nicht alle in den Leistungsbildern aufgeführten Leistungen bei jedem Objekt notwendig, um die Vertragsziele zu erreichen. Das OLG Celle hat sich damit gegen die bisherige Teilleistungs- und Kürzungsrechtsprechung gestellt.

Um diese Problematik ging es

Ein Bauherr hatte einen Architekten beauftragt, für den Umbau und die Modernisierung seines Wohnhauses Grundleistungen der Leistungsphasen 1 bis 3 und 5 bis 8 nach der HOAI 2013 zu erbringen. Der Architekt rechnete nach Mindestsätzen ab. Weil der Auftraggeber nur einen Teil zahlte, erhob der Architekt Klage.

Der Auftraggeber wehrte sich mit dem Argument, die Kürzung sei berechtigt, weil der Architekt nicht alle Grundleistungen (= Teilleistungen) aus der jeweiligen Leistungsphase erbracht habe.

Oberlandesgericht: keine Honorarkürzungen

Das OLG gab dem Architekten Recht: Nach § 3 Abs. 2 HOAI sind Grundleistungen, die zur ordnungsgemäßen Erfüllung eines Auftrags im Allgemeinen erforderlich sind, in Leistungsbildern erfasst. Die Bezeichnung als „im Allgemeinen erforderlich sind“ soll klarstellen, dass nicht alle in den Leistungsbildern aufgeführten Leistungen bei jedem Objekt zur Erreichung des Vertragsziels notwendig sind. Insbesondere sind nicht alle (in § 34 Abs. 3 HOAI (Anhang 10.1) aufgeführten) Grundleistungen vollständig zu erbringen, wenn die Beauftragung und die notwendig damit verbundenen Leistungen zum vertraglichen Leistungsumfang dies nicht erforderlich machen. Dies ergibt sich aus der Erfolgsbezogenheit des Architektenvertrags, der die Entstehung einer umfassenden gebrauchsfähigen Architektentätigkeit voraussetzt.

Der Auftraggeber hatte bereits nicht behauptet, dass der Kläger bestimmte Grundleistungen nicht erbracht hat, die aber erforderlich gewesen wären, um die vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen. Allein die vom Auftraggeber erhobene Rüge, es seien nicht alle Grundleistungen erbracht worden, führt – ohne einen Mangel in der Bauwerksleistung – nicht zu einer Vergütungsminderung bzw. einem Schadenersatzanspruch gegen den Architekten.

Quelle | OLG Celle, Urteil vom 2.8.2023, 14 U 200/19

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Familien- und Erbrecht

Testamentsgestaltung: Darf der Lebensgefährte nicht ins Haus?

Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm war mit der Wirksamkeit einer testamentarischen Bedingung befasst, die ein Hausverbot vorsah. Es stellte klar: Eine solche Bedingung ist sittenwidrig.

Das war geschehen

Die Klägerin erbte als einzige Tochter ihrer verstorbenen Mutter im Wesentlichen ein Hausgrundstück mit einem freistehenden Einfamilienhaus, in dem die Mutter und die Tochter mit der Enkelin bis zu deren Auszug in verschiedenen Wohnungen lebten. Die Enkelin wurde als Miterbin eingesetzt.

Der langjährige Lebensgefährte der Tochter hatte eine eigene Wohnung, ging aber in dem Haus ein und aus, war der Ziehvater der Enkelin und nahm im Haus auch Reparaturen vor. Es gab zu keiner Zeit Streit oder ein Zerwürfnis und man lebte wie eine Familie zusammen. In dem Testament, in dem die Tochter und die Enkelin als Erbinnen eingesetzt wurden, waren hierfür allerdings zwei Bedingungen formuliert: Zum einen war es den Erbinnen untersagt, das Grundstück an den Lebensgefährten der Tochter zu übertragen. Zum anderen sollten die Erbinnen dem Lebensgefährten auf Dauer untersagen, das Grundstück zu betreten.

Zur Überwachung des Verbots wurde der Beklagte als Testamentsvollstrecker eingesetzt. Er sollte die Immobilie bei einem Verstoß gegen die Bedingung veräußern, wobei der Erlös jeweils zu ¼ der Tochter und der Enkelin und im Übrigen gemeinnützigen Zwecken zukommen sollte.

War die Bedingung des Betretungsverbots nichtig?

Die Erbinnen verlangten vor dem Landgericht (LG), festzustellen, dass die Bedingung des Betretungsverbots nichtig sei, weil sie dieses für sittenwidrig hielten. Das LG gab der Klage statt. Hiergegen wandte sich der Beklagte mit seiner Berufung an das OLG Hamm. Da das OLG die rechtliche Einschätzung der Vorinstanz zur Sittenwidrigkeit teilte, nahm der Beklagte seine Berufung zurück, sodass das Urteil des LG rechtskräftig wurde.

Ein schwerwiegender Ausnahmefall, der zur Sittenwidrigkeit einer Bedingung führen kann, sei immer nur anzunehmen, wenn in der Abwägung zwischen der Testierfreiheit der Erblasserin und den Freiheitsrechten der Betroffenen anzunehmen ist, dass die nur bedingte Zuwendung einen unzumutbaren Druck auf die Bedachten ausübt, sich in einem höchstpersönlichen Bereich in einer bestimmten Art und Weise zu verhalten. Bedingungen, die dagegen lediglich die Nutzung des vererbten Vermögensgegenstands betreffen, seien dagegen regelmäßig zulässig. Hier weise zwar die angefochtene Bedingung einen Bezug zur Nutzung des vererbten Hausgrundstücks auf.

Unter Berücksichtigung aller Umstände des Falles stehe hier jedoch im Vordergrund, dass dem langjährigen Lebensgefährten der Zugang zur schon vorher genutzten Wohnung plötzlich verwehrt sein soll. Das bis zum Tod der Erblasserin unstreitig praktizierte familiäre Zusammenleben könnte aufgrund der Bedingung nicht mehr in dieser Form fortgeführt werden. Damit sei aber der höchstpersönliche Bereich der Lebensführung der Tochter betroffen und die Bedingung sittenwidrig und nichtig. Für die Rechtsfolge sei davon auszugehen, dass die Erblasserin ihre Tochter und ihre Enkelin auch ohne die unwirksame Bedingung zu Erbinnen eingesetzt hätte, sodass die Sittenwidrigkeit nur dazu führe, dass die Bedingung entfällt.

Quelle | OLG Hamm, 10 U 58/21, PM vom 19.7.2023

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Mietrecht und WEG

Spielhallen: Illegale Nutzung von vermieteten Räumlichkeiten

Die illegale Nutzung von vermieteten Räumlichkeiten begründet erst dann einen Mangel, wenn die Behörde die Nutzung des Objekts untersagt oder ein behördliches Einschreiten ernstlich zu erwarten ist. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat Minderungsansprüche des Mieters eines Anwesens zurückgewiesen, das zum Spielhallenbetrieb genutzt worden war und nach Inkrafttreten des neuen hessischen Spielhallengesetzes (HSpielhG) nicht mehr genehmigt werden kann.

Das war geschehen

Die Klägerin vermietete 2012 für zehn Jahre Räumlichkeiten in Büdingen „zur Benutzung als Spielothek/Billard-Sammlung/Wettbüro“ an eine Gesellschaft. Der Spielbetrieb war zunächst auf Basis des alten hessischen Spielhallengesetzes (Fassung Juni 2012) genehmigt worden. Den am 1.1.2018 in Kraft getretenen Anforderungen des neuen HSpielhG entsprach das Anwesen nicht mehr. Die Räumlichkeiten hielten nicht den gesetzlich geforderten Abstand einer Luftlinie von mindestens 300 Metern zu den drei umliegenden Schulen ein (§ 2 Abs. 3 HSpielhG).

Der Antrag der Gesellschaft auf Verlängerung der Spielhallenerlaubnis wurde Mitte 2018 abgelehnt. Die Stadt verwies dabei auf die fehlende gewerbliche Zuverlässigkeit der Betreibergesellschaft. Zum 1.1.2019 übernahm die Beklagte als Mieterin den zugleich bis 2032 verlängerten Mietvertrag. Ab 2020 stellte sie die Mietzahlungen im Wesentlichen ein. Zur Begründung führte sie an, dass das Objekt aufgrund seiner Lage, der die Einhaltung eines Mindestabstands nach neuer Rechtslage nicht gewährleiste, mangelhaft sei. Die Klägerin kündigte daraufhin den Vertrag wegen Zahlungsrückständen und klagt offene Mieten in Höhe von rd. 11.000 Euro ein.

Landgericht: keine Mangelhaftigkeit der Mietsache

Das Landgericht (LG) hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Die hiergegen eingelegte Berufung hatte vor dem OLG – bei geringer Forderungskorrektur – keinen Erfolg. Die Klägerin könne die Zahlung der offenen Mieten verlangen, so das OLG. Die Miete sei nicht wegen Mangelhaftigkeit der Mietsache gemindert. Allein die Unzulässigkeit des Spielhallenbetriebs nach dem neuen HSpielhG führe nicht zu einem Mangel. Eine formell rechtswidrige Nutzung stelle noch keinen Sachmangel dar. „Voraussetzung hierfür ist vielmehr, dass die fehlende Genehmigung eine Aufhebung oder erhebliche Beeinträchtigung der Tauglichkeit der Mietsache zum vertragsgemäßen Gebrauch zur Folge hat“, so das OLG. Solange die Behörde eine formell illegale Nutzung dulde, sei der vertragsgemäße Gebrauch nicht beeinträchtigt. Ein Sachmangel liege erst vor, wenn die zuständige Behörde die Nutzung des Mietobjekts untersage oder ein behördliches Einschreiten ernstlich zu erwarten sei. Gewährleistungsansprüche seien hier ausgeschlossen, da die Beklagte der langfristigen Fortsetzung des Mietvertrags trotz Kenntnis der fehlenden Genehmigung des Spielhallenbetriebs zugestimmt habe.

Grob fahrlässige Unkenntnis der Regelungen

Zudem seien die Verschärfungen der neuen gesetzlichen Bedingungen für den Betrieb von Spielhallen in der Fachpresse besprochen worden. Es liege grob fahrlässige Unkenntnis hinsichtlich der örtlichen Unzulässigkeit vor. Schließlich sei die Duldung nicht wegen der örtlichen Beschaffenheit, sondern der fehlenden persönlichen Eignung verweigert worden. Dies falle nicht in die Risikosphäre der Vermieterin.

Das Urteil ist nicht anfechtbar.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 24.10.2023, 2 U 5/23, PM 64/23

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WEG: Betriebskosten eines nachträglich eingebauten Aufzugs

Im Streit um die Umlage von Betriebskosten erklärte das Amtsgericht (AG) München einen Beschluss der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft für ungültig. Danach mussten die Kläger anteilig die Kosten für den Betrieb eines nachträglich eingebauten Aufzugs tragen.

Alte Teilungserklärung regelt die Betriebskosten

Die Kläger sind Eigentümer einer Erdgeschosswohnung in der betroffenen Eigentümergemeinschaft. In der Teilungserklärung der aus zehn Wohneinheiten bestehenden Eigentümergemeinschaft von 1968 findet sich eine Regelung, wonach zu den Betriebskosten auch der „Betrieb des Personenaufzugs, sofern vorhanden, (Erdgeschoß-Wohnungen sind hiervon freigestellt)“ gehört.

Über einen Personenaufzug verfügte das Anwesen in den ersten Jahrzehnten seines Bestehens nicht. Auf einer Eigentümerversammlung im August 2011 wurde der Einbau eines Personenaufzugs beschlossen. Dabei wurde auch der Beschluss gefasst, dass die Betriebskosten des Aufzugs auf Grundlage der Teilungserklärung von allen Eigentümern getragen werden. Mit dem anschließend eingebauten Aufzug sind Untergeschoss, Erdgeschoss sowie erster und zweiter Stock des Hauses erreichbar.

Das wollten die Kläger

Die von der Eigentümergemeinschaft im November 2021 beschlossene und von den Klägern angefochtene Jahreseinzelabrechnung für das Jahr 2020 berechnete den Klägern erstmalig anteilig entsprechend ihrem Miteigentumsanteil die Kosten für den Betrieb des Aufzugs in Höhe von 234,70 Euro. Zur Anfechtung des Beschlusses trugen die Kläger vor, sie seien an den Betriebskosten des Aufzugs nicht zu beteiligen, da es hierfür keine Rechtsgrundlage gebe. Nach der Regelung in der Teilungserklärung seien die Kläger als Eigentümer einer der Erdgeschosswohnungen von den Betriebskosten einer Aufzugsanlage freigestellt. Eine andere Rechtsgrundlage zur Auferlegung der genannten Kosten bestünde nicht.

Die Beklagte war der Auffassung, die fragliche Regelung in der Teilungserklärung sei dahingehend auszulegen, dass der Bauträger ersichtlich keine Regelung für den Fall treffen konnte und wollte, falls die Wohnungseigentümer sich zu späterer Zeit für den Einbau eines Personenaufzugs entscheiden sollten. Die Formulierung „sofern vorhanden“ beziehe sich ausschließlich auf den damaligen Zustand, eine Regelung für die Zukunft sei nicht gewollt gewesen.

So sah es das Amtsgericht

Das AG erklärte den angefochtenen Beschluss für ungültig. Für die Umlage i.H.v. 234,70 Euro als anteilige Kosten für „Wartung/Notruf Aufzug“ auf die Kläger fehle es an einer tragfähigen Rechtsgrundlage. Nach der unverändert gültigen Teilungserklärung seien die Wohnungen im Erdgeschoss von den Betriebskosten eines Personenaufzugs freigestellt. Das Gericht mochte der Auffassung nicht folgen, die Teilungserklärung habe nur den Zustand im Jahr 1968 geregelt. Der Wortlaut der Teilungserklärung enthalte keine Einschränkungen hinsichtlich seiner Geltung, weder zeitlich noch sonst (z. B. ob dieser den Keller anfährt oder nicht), sondern eine Regelung zu den Betriebskosten eines Personenaufzugs, sofern ein solcher vorhanden sei. Nun ist ein solcher vorhanden, also ist die Regelung anzuwenden. Dass dies nur damals gelten sollte, insbesondere (nur) für den damaligen Fall, dass noch ein Personenaufzug eingebaut würde, jetzt aber nicht mehr, sei nicht ersichtlich. Ob es wirtschaftlich angemessen ist, dass der nachgerüstete Aufzug auch das Kellergeschoss erreicht, müsse dahinstehen. Eine abweichende Kostentragungsregelung würde eine entsprechende Änderung der Teilungserklärung voraussetzen, die nicht erfolgt ist.

Quelle | AG München, Urteil vom 8.7.2022, 1290 C 19698/21 WEG, PM vom 9.10.2023

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Verbraucherrecht

Vorfälligkeitsentschädigung: Darlehensrückführung: Pauschalierter Institutsaufwand unzulässig

Die von einer Bank verwendete Software integrierte bei der vorzeitigen Rückführung eines Verbraucherimmobiliar-Darlehens in die Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung einen pauschalierten sog. Institutsaufwand in Höhe von 300 Euro. Dies ist unzulässig, sofern dem Verbraucher nicht ausdrücklich der Nachweis eines geringeren oder vollständig entfallenden Schadens möglich ist, entschied das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main.

Ein Bankkunde nahm die Bank auf Unterlassen der Berechnung eines pauschalierten sog. Institutsaufwands von 300 Euro in Anspruch. Er hatte bereits 2017 in einem Verfahren vor dem Landgericht (LG) erstritten, dass die Bank bei der vorzeitigen Rückzahlung eines Darlehens nicht pauschal einen in ihrem Preis- und Leistungsverzeichnis ausgewiesenen „Verwaltungsaufwand“ in dieser Höhe verlangen kann. Das LG hatte die neuerliche Klage des Bankkunden jedoch abgewiesen.

Die hiergegen gerichtete Berufung hatte vor dem OLG Erfolg. Die Bank könne nicht pauschal den o. g. Aufwand verlangen. Das Berechnen dieser Position halte einer Inhaltskontrolle am Maßstab Allgemeiner Geschäftsbedingungen (AGB) nicht stand. Die Bank-Software, die einen solchen Institutsaufwand in die Abrechnungen automatisch integriere, stehe einer bankinternen Anweisung gleich. Sie entspreche damit in ihrer Wirkung einer AGB und unterliege der Inhaltskontrolle. AGB seien nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 309 Nr. 5b BGB) unwirksam, wenn der Verwender einen pauschalen Schadenersatzanspruch erlange, ohne dass der Nachweis eines tatsächlich niedrigeren oder entfallenden Schadens möglich ist. So sei es hier. Der hier in Rechnung gestellte pauschale Aufwand für die vorzeitige Darlehensrückführung von 300 Euro könne nur verlangt werden, wenn dem Verbraucher ausdrücklich der Nachweis eines geringeren oder entfallenden Schadens seitens der Bank gestattet wäre.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 4.10.2023, 17 U 214/22, PM 61/23

Ordnungswidrigkeitsverfahren: „Wildpinkeln“ kann auch erlaubt sein

Ein Mann urinierte nachts an der Ostsee ins Meer. Dies bemerkten drei Mitarbeiter des Ordnungsamts. Der Mann sollte dann 60 Euro als Geldbuße zahlen wegen „Belästigung der Allgemeinheit“ durch eine „grob ungehörige Handlung“. Die Sache ging vor Gericht, weil er sich weigerte, zu zahlen. Das AG Lübeck gab ihm nun Recht.

Lag eine Ordnungswidrigkeit vor?

Das AG Lübeck prüfte die einschlägige Norm des Ordnungswidrigkeitengesetzes, gegen die der Mann verstoßen haben sollte (hier: § 118 OWiG). Aber weder eine Verletzung des Schamgefühls der Öffentlichkeit (weder im Hinblick auf Männer noch auf Frauen) noch den Vorwurf etwaiger Verschmutzungen oder Gerüche ließ das Gericht gelten.

Schamgefühl nicht verletzt

Das Schamgefühl der Öffentlichkeit sah das Gericht nicht als verletzt an und verwies auf öffentliche Toiletten für Männer, wo an „durchgehenden Pissoirs“ oder „Rinnen“ oft „geselliges Wasserlassen“ stattfinde. So sei es auch bei Urinieren unter freiem Himmel. Auch Wanderer, Arbeiter in Feld und Flur, Jäger und Freiluftsportler urinierten gelegentlich in die Landschaft.

Ostsee nicht verunreinigt

Verunreinigungen oder Geruchsbelästigungen hielt das LG angesichts der Größe der Ostsee für ausgeschlossen. Der letzte Satz des Urteils klingt schon beinahe romantisch: „Der Mensch hat unter den Weiten des Himmelszeltes nicht mindere Rechte als das Reh im Wald, der Hase auf dem Feld oder die Robbe im Spülsaum der Ostsee.“

Quelle | AG Lübeck, Urteil vom 29.6.2023, 83a OWi 739 Js 4140/23 jug

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Immobilienkauf: Begriff „Wohnung“ beinhaltet keine Beschaffenheitsgarantie für die baurechtliche Unbedenklichkeit

Allein die Bezeichnung des Kaufgegenstands als „Wohnung“ beinhaltet nicht die Beschaffenheitsgarantie des Verkäufers für die baurechtliche Unbedenklichkeit des Kaufgegenstands. Vereinbaren die Parteien einen Haftungsausschluss, kann damit nicht die Rückabwicklung des Kaufvertrags wegen einer fehlenden Baugenehmigung begehrt werden. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main wies mit seiner Entscheidung die Berufung der Käuferin gegen ein ihre Ansprüche zurückweisendes Urteil des Landgerichts (LG) zurück.

Rücktritt wegen fehlender Baugenehmigung?

Die Klägerin kaufte von der Beklagten für 330.000 Euro eine Wohnung. Laut Kaufvertrag erwarb sie u.a. das Sondereigentum „an der Wohnung (es folgte die Adresse)“. Der Kauf erfolgte wie besichtigt. Die Parteien schlossen jegliche Sachmängelhaftung aus. Nachdem die Klägerin erfahren hatte, dass keine Baugenehmigung vorliegt, hat sie u.a. die Rückzahlung des Kaufpreises gegen Rückübertragung des Wohnungseigentums verlangt.

Freiwilliger Verzicht auf Gewährleistungsrechte

Das LG hatte die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Die Klägerin könne den Kaufpreis unabhängig vom Sachmangel der fehlenden Baugenehmigung nicht zurückverlangen, da die Parteien zulässig einen Haftungsausschluss vereinbart hätten, bestätigte das OLG die angefochtene Entscheidung. Die Klägerin habe damit freiwillig auf ihre Gewährleistungsrechte im Hinblick auf die gekaufte Wohnung verzichtet.

Der Haftungsausschluss greife hier auch wirksam ein. Insbesondere liege kein einem solchen Ausschluss entgegenstehendes arglistiges Verhalten des Beklagten vor. Der Beklagte habe vorgetragen, selbst 14 Jahre in der Wohnung gewohnt und von der fehlenden Baugenehmigung keine Kenntnis gehabt zu haben. Gegenteiliges habe die Klägerin nicht beweisen können. Ihm könne mangels eigener Beteiligung am Bau/Umbau auch nicht vorgeworfen werden, dass sich ihm die fehlende Baugenehmigung hätte aufdrängen müssen.

Keine Beschaffenheitsgarantie

Dem Haftungsausschluss stehe auch keine Beschaffenheitsgarantie des Beklagten entgegen. Der Beklagte habe keine vorbehaltlose, verschuldensunabhängige und intensivierte Einstandsflicht für die baurechtliche Unbedenklichkeit der Wohnung übernehmen wollen. Insbesondere könne „in der Bezeichnung „Wohnung“ im Kaufvertrag (...) nach den (...) anzulegenden strengen Maßstäben keine Beschaffenheitsgarantie gesehen werden, sondern nur eine übliche Bezeichnung für den Kaufgegenstand“, führte das OLG weiter aus. Der Begriff bezeichne den rein tatsächlichen Zustand der Räumlichkeiten, seine tatsächliche Verwendung und vergangene Nutzung zu Wohnzwecken, vertiefte der Senat. Ein von der Klägerin behaupteter weitreichender Haftungswille des Beklagten könne dagegen nicht allein auf das Wort „Wohnung“ gestützt werden.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Klägerin kann mit der Nichtzulassungsbeschwerde die Zulassung der Revision begehren.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Hinweisbeschluss vom 19.10.2023 i.V.m. Beschluss vom 31.10.2023, 6 U 210/22, PM vom 9.11.2023

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Verkehrsrecht

Verkehrsgefährdung: Mithaftung nach Unfall beim Überholen einer Fahrzeugkolonne

Überholen darf nur, wer eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer vollständig ausschließen kann. Das ist beim Überholen einer Kolonne (hier hinter einem Traktor) oft nicht einfach. Wenn es in dieser Situation zum Unfall durch zwei ausscherende Fahrzeuge kommt, zahlen in der Regel beide Unfallbeteiligte, sagt das Landgericht (LG) Lübeck.

Staubildung auf Landstraße – Unfall beim Überholen

Auf einer Landstraße hatte sich hinter einem Traktor eine Kolonne gebildet. Ganz am Ende der Kolonne fuhr der Kläger und vor ihm noch zwei weitere Autos. Nachdem ein Überholverbot endete, begann der Kläger, die Kolonne von hinten links zu überholen. Als er schon auf der Höhe des Wagens direkt hinter dem Traktor war, scherte dessen Fahrerin ebenfalls zum Überholen aus. Der Kläger versuchte noch, auszuweichen und schrammte letztlich aufgrund des Manövers am Traktor entlang. Es entstanden erhebliche Schäden.

Gefährdung anderer ausgeschlossen?

Das Gericht legte seiner Entscheidung zugrunde, dass die ausscherende Fahrerin nur hätte überholen dürften, wenn die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen gewesen wäre. Die Fahrerin habe dies aber nicht beweisen können, denn bereits der Umstand, dass es zu dem Unfall gekommen sei, spräche dafür, dass sie gerade nicht gut genug aufgepasst habe.

Der Kläger hingegen habe die Kolonne grundsätzlich überholen dürfen. Zwar gelte die Regel, dass bei „unklarer Verkehrslage“ nicht überholt werden dürfe. Von einer unklaren Verkehrslage sei aber nur auszugehen, wenn sich für den nachfolgenden Fahrer nicht sicher beurteilen lasse, was der Vorausfahrende jetzt gleich tun werde. Hier sei jedoch nichts unklar gewesen. Nicht jede Kolonne sei per se eine „unklare Verkehrslage“. Und auch sonst seien im Prozess keine Umstände feststellbar gewesen, die gegen einen Überholversuch gesprochen hätten.

Verschuldensanteile

Trotzdem müsse sich der Kläger an dem Schaden beteiligen. Der Unfall sei auch für ihn nicht völlig unvermeidbar gewesen. Auch wenn das Überholen einer Kolonne nicht verboten sei, hätte ein „Idealfahrer“ dies angesichts der damit verbundenen Selbst- und Fremdgefährdung unterlassen. Die generelle Haftung eines Autofahrers (die sog. „Betriebsgefahr“) entfalle daher nicht völlig.

Im Ergebnis mussten die ausscherende Fahrerin 80 Prozent und der Kläger 20 Prozent des Schadens tragen.

Quelle | LG Lübeck, Urteil vom 28.7.2023, 9 O 27/21, PM vom 19.10.2023

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Schadenersatzklage: Haftung bei Unfall mit E-Bike an Baustelle

Im Streit um Schadenersatz und Schmerzensgeld aufgrund eines Sturzes mit einem E-Bike an einer Baustelle wies das Amtsgericht (AG) München die Klage einer Münchnerin auf Zahlung von 1.172,70 Euro sowie 2.000 Euro Schmerzensgeld gegen eine Baufirma und deren Haftpflichtversicherung ab.

Das war geschehen

An der Straße in München wurde der Fahrradweg im Juni 2021 aufgrund einer Baustelle auf die Straße abgeleitet, dort innerhalb von Schrankenzäunen an der Baustelle entlanggeführt und der Behelfsradweg anschließend wieder auf den Radweg zurückgeführt. Die beklagte Baufirma war für die Baustelle verkehrssicherungspflichtig. Im Juni 2021 fuhr die Klägerin gegen 23:45 Uhr mit dem E-Bike auf dem Radweg im Bereich der Baustelle. Sie stürzte beim Auffahren auf den Radweg am Ende der Umleitung. Die Klägerin erlitt u.a. eine schwere Weichteilprellung, eine Brustkorbprellung sowie eine Prellung des linken Knies. Ihr entstanden Behandlungskosten in Höhe von 621 Euro und Kosten für die Reparatur des E-Bikes in Höhe von insgesamt 551,70 Euro.

Die zwischen den Parteien insbesondere streitige Frage, ob zum Unfallzeitpunkt zur Sicherung des Radwegs eine Anrampung vorhanden war, konnte im Rahmen der Beweisaufnahme aufgrund sich widersprechender Zeugenangaben nicht geklärt werden.

Die Klägerin behauptete, der Behelfsradweg auf der Straße sei zum Unfallzeitpunkt ohne Anrampung wieder auf den eigentlichen Radweg zurückgeführt worden. Sie sei an dieser Stelle der Aufleitung gestürzt. Außerdem seien zum Unfallzeitpunkt die Warnleuchten an den Schrankenzäunen nicht in Betrieb gewesen.

Amtsgericht wies Klage ab

Das Gericht wies die Klage ab und begründete dies wie folgt: Der Klägerin sei es nicht gelungen, nachzuweisen, dass eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der Beklagten kausal zu dem Sturz der Klägerin geführt hat.

Zwar war die Beklagte unstreitig für die Sicherung des umgeleiteten Radwegs zuständig. Ihr war auch mit der verkehrsrechtlichen Erlaubnis der Stadt München aufgegeben worden, zur Ermöglichung einer sicheren Benutzung in Übergangsbereichen des umgeleiteten Radwegs, sofern nicht bereits Absenkungen vorhanden sind, geeignete verkehrssichere Anrampungen zu schaffen.

Rampe vorhanden oder nicht – keine gerichtliche Klärung möglich

Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme konnte sich das Gericht jedoch nicht die Überzeugung bilden, dass die Beklagte dieser Anordnung nicht nachgekommen ist, bzw. ein Verstoß hiergegen kausal zu dem Sturz der Klägerin geführt hat. Es hätten, so das AG, einander widersprechende Angaben dazu vorgelegen, ob zum Unfallzeitpunkt eine Anrampung vorhanden gewesen ist oder nicht. Keine der Angaben erschien dem Gericht glaubwürdiger und glaubhafter.

Auch aus den in Augenschein genommenen Lichtbildern lasse sich kein beweissicherer Rückschluss auf die Situation zum Unfallzeitpunkt ziehen. Lichtbilder direkt vom Unfalltag lagen nicht vor. Eine Verkehrspflichtverletzung der Beklagten im Hinblick auf die Höhe der Bordsteinkante hätte die Klägerin daher nicht nachweisen können.

Auch ein möglicherweise falsches Aufstellen der Schrankenzäune habe nicht zur Überzeugung des Gerichts kausal zum Sturz der Klägerin geführt. Aus oben genannten Gründen konnte es nicht beweissicher feststellen, dass die Klägerin allein deshalb zu Fall gekommen ist, weil die aufgestellten Schrankenzäune den Radweg so geführt haben, dass sie über einen erhöhten Bordstein fahren musste.

Die Beleuchtung der Warnbaken/Schrankenzäune hat nach Auffassung des Gerichts nicht die Funktion, die Fahrbahn selbst zu beleuchten. Sinn und Zweck der Beleuchtung sei es lediglich, den Verlauf des Weges anzuzeigen. Damit falle eine eventuelle unterbliebene Beleuchtung nicht in den Schutzzweck der Norm für die von der Klägerin geltend gemachten Schäden und Schmerzensgeld.

Quelle | AG München, Urteil vom 9.1.2023, 159 C 1797/22, PM 35/23

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Führerscheinentzug: Folgen einer Trunkenheitsfahrt mit E-Scooter

Das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig hat klargestellt: Die Fahrt mit einem E-Scooter im Zustand der absoluten Fahruntüchtigkeit führt regelmäßig zu einer Entziehung der Fahrerlaubnis.

Amtsgericht war noch milde gestimmt

Der Angeklagte befuhr in Göttingen in alkoholisiertem Zustand eine Straße mit einem E-Scooter. Bei einer Kontrolle stellten die Polizeibeamten einen Blutalkoholwert von 1,83 Promille fest. Das Amtsgericht (AG) verurteilte ihn daraufhin wegen Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe. Daneben verhängte es als weitere Strafe ein Fahrverbot, sah aber von einer Entziehung der Fahrerlaubnis ab. Zwar gelte nach dem Strafgesetzbuch (hier: § 69 StGB), dass ein Täter, der wegen Trunkenheit im Verkehr verurteilt wird, in der Regel als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen anzusehen sei. Jedoch habe der Angeklagte „nur“ einen E-Scooter verwendet und mit diesem lediglich eine kurze Strecke zurückgelegt.

Staatsanwaltschaft widersprach

Die Staatsanwaltschaft Göttingen hat dieses Urteil nicht akzeptiert. Das AG stelle bei seiner Entscheidung, von der Entziehung der Fahrerlaubnis abzusehen, rechtsfehlerhaft darauf ab, dass der Angeklagte nicht mit einem PKW, sondern mit einem E-Scooter gefahren sei. Dies widerspreche der gesetzgeberischen Wertung, wonach der E-Scooter als Kraftfahrzeug einzustufen und die Fahrerlaubnis beim Führen von Kraftfahrzeugen in fahruntüchtigem Zustand regelmäßig zu entziehen sei, so auch die Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig in ihrer Antragsschrift.

Oberlandesgericht: Promillegrenze mindestens wie für Radfahrer

Dieser Argumentation ist das OLG nun gefolgt. Es ist ebenso – wie bereits das AG – von einer absoluten Fahruntüchtigkeit des Angeklagten ausgegangen. Dies folge daraus, dass der E-Scooter in seiner Fahreigenschaft und seinem Gefährdungspotenzial einem Fahrrad mindestens gleichzustellen sei und der Angeklagte den nach der obergerichtlichen Rechtsprechung für Fahrradfahrer geltenden Grenzwert von 1,6 Promille überschritten habe. Ob für E-Scooter auch der für Kraftfahrzeugführer geltende Grenzwert von 1,1 Promille gilt, musste das OLG danach nicht entscheiden.

Es lagen keine Ausnahmetatbestände vor

Aufgrund der Verurteilung wegen einer Trunkenheitsfahrt sei gemäß Strafgesetzbuch (§ 69 StGB) auch davon auszugehen, dass der Angeklagte zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet sei. Abweichend von der erstinstanzlichen Entscheidung hat das OLG nach dem bisher festgestellten Sachverhalt keine besonderen Umstände ausmachen können, die eine Ausnahme von dieser Regelvermutung rechtfertigten.

Ein E-Scooter sei ein Kraftfahrzeug im Sinne dieser Vorschrift. Damit greife die Regelvermutung zunächst einmal. Ob von dieser ausnahmsweise abzuweichen sei, sei von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Allein die Art des Kraftfahrzeugs könne eine Ausnahme nicht begründen und auch nicht als stets mildernd berücksichtigt werden.

Ein Kilometer ist keine „Kurzfahrt“

Auch die weiteren vom AG angeführten Gründe tragen nicht die Annahme eines Ausnahmefalls. Insbesondere handele es sich bei einer Fahrtstrecke von einem Kilometer nicht um eine kurze Fahrt.

Quelle | OLG Braunschweig, Urteil vom 30.11.2023, 1 ORs 33/23, PM vom 15.12.2023

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Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht

Markenrechtsstreit: Kunstfreiheit: Luxus-Handtaschen nur eingeschränkt geschützt

Ein Berliner Modelabel stellt unter anderem Kleider, Röcke, Tops und Taschen her, die charakteristische Merkmale der besagten Luxus-Handtasche aufweisen. Das Label führte diese Modekreationen auf einer Fashionshow vor und bewarb die dortigen Darbietungen im Internet sowie auf sozialen Netzwerken. Die Herstellerin der Luxus-Tasche hat vor dem Landgericht (LG) Frankfurt am Main verlangt, dem Berliner Modelabel diese Darstellungen zu untersagen – ohne Erfolg.

Prägende Merkmale der Handtaschen (nur) Teil einer Inszenierung?

Die Designerinnen des Berliner Labels hatten sich auf ihre Kunst- und Meinungsfreiheit berufen. Ihre Modekreationen, in denen die prägenden Merkmale der Luxus-Handtasche aus dem Modekonzern der Antragstellerin gespiegelt werden, seien Teil einer Inszenierung. Es solle damit unter anderem auf weibliche Klischees hingewiesen werden, wonach sich Frauen diese Luxus-Handtaschen von sog. „Sugar Daddys“ schenken ließen. Die Akzeptanz dieses Vorurteils sei eine Form von Feminismus.

Abwägung erforderlich

Das LG entschied in zwei Beschlüssen vom 19.9.2023, die Antragstellerin könne sich nicht mit Erfolg auf europäischen Markenrechtsschutz berufen. Es sei im vorliegenden Fall eine Abwägung erforderlich zwischen dem Eigentumsrecht der Herstellerin der Luxus-Handtasche und der Kunstfreiheit der Antragsgegnerin. Auch die Beschäftigung mit einer Marke kann von der Kunstfreiheit erfasst sein, meint das LG. Das in der Kunstfreiheit wurzelnde Interesse der Antragsgegnerin an der Darbietung ihrer Fashionshow überwiege im vorliegenden Fall.

Die Antragsgegnerin wolle mit ihren Kleidern und Taschen darauf hinweisen, dass Frauen von Männern zum Objekt degradiert und als gesellschaftliche Accessoires angesehen würden. Nach ihrer Ansicht würden sich Frauen emanzipieren, indem sie genau diese Rolle einnähmen. Sie würden Männer als „menschliche Bank“ für ihre Zwecke nutzen, wenn sie sich von ihnen Luxus-Taschen schenken ließen. „In dieser überspitzten gesellschaftlichen Darstellung tragen Frauen die Kleidungsstücke, die an die Luxus-Tasche der Antragstellerin erinnern, in aufreizender und lasziver Art an der Grenze zu Kitsch und Geschmacklosigkeit. (…) Hierbei ist das Spiel zwischen primitiver Direktheit und ultimativen Luxusgütern essenzieller Bestandteil der Darbietung“, erklärte die Kammer in ihrem Beschluss.

Keine Herabwürdigung der Marke

Das LG: Die Marke der Antragstellerin werde weder verunglimpft noch herabgesetzt. Vielmehr diene sie als ein gesellschaftlich angestrebter Bezugspunkt von Luxusgütern. Die Anlehnung an die Luxus-Handtasche der Antragstellerin sei dabei nur ein Teil der gesamten Inszenierung.

Die Entscheidungen sind rechtskräftig.

Quelle | LG Frankfurt am Main, Beschlüsse vom 19.9.2023, 2-06 O 532/23 und 2-06 O 533/23, PM vom 12.10.2023

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Datenschutz: Schufa-Scoring nur unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt

Die Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) steht zwei Datenverarbeitungspraktiken von Wirtschaftsauskunfteien entgegen. So hat es nun der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) klargestellt. Während das Scoring nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig ist, steht die längere Speicherung von Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung im Widerspruch zur DS-GVO.

Das war geschehen

Mehrere Bürger fochten vor dem Verwaltungsgericht (VG) Wiesbaden Bescheide des zuständigen Datenschutzbeauftragten an, mit denen er sich weigerte, gegen bestimmte Tätigkeiten der SCHUFA, einer privaten Wirtschaftsauskunftei, vorzugehen, zu deren Kunden insbesondere Banken zählen. Sie wandten sich konkret gegen das Scoring sowie gegen die Speicherung von aus öffentlichen Registern übernommenen Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung.

Das Scoring ist ein mathematisch-statistisches Verfahren, das es ermöglicht, die Wahrscheinlichkeit eines künftigen Verhaltens, wie etwa die Rückzahlung eines Kredits, vorauszusagen. Die Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung werden im deutschen öffentlichen Insolvenzregister sechs Monate lang gespeichert, während Verhaltensregeln der deutschen Wirtschaftsauskunfteien für ihre eigenen Datenbanken eine Speicherdauer von drei Jahren vorsehen. Das Verwaltungsgericht ersucht den Gerichtshof, den Umfang des Schutzes der personenbezogenen Daten, wie er von der DS-GVO vorgesehen ist, näher zu erläutern.

Scoring grundsätzlich verboten

Der EuGH entschied, dass das Scoring als eine von der DS-GVO grundsätzlich verbotene „automatisierte Entscheidung im Einzelfall“ anzusehen ist, sofern die Kunden der SCHUFA, z. B. Banken, ihm eine maßgebliche Rolle im Rahmen der Kreditgewährung beimessen. Nach Ansicht des VG ist dies der Fall. Es obliegt diesem Gericht, zu beurteilen, ob das deutsche Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) im Einklang mit der DS-GVO eine gültige Ausnahme von diesem Verbot enthält. Trifft dies zu, wird das Gericht außerdem prüfen müssen, ob die in der DS-GVO vorgesehenen allgemeinen Voraussetzungen für die Datenverarbeitung erfüllt sind.

Überlange Speicherung untersagt

In Bezug auf die Informationen über die Erteilung einer Restschuldbefreiung entschied der EuGH, dass es im Widerspruch zur DS-GVO steht, wenn private Auskunfteien solche Daten länger speichern als das öffentliche Insolvenzregister. Die erteilte Restschuldbefreiung soll nämlich der betroffenen Person ermöglichen, sich erneut am Wirtschaftsleben zu beteiligen, und hat daher für sie existenzielle Bedeutung. Diese Informationen werden bei der Bewertung der Kreditwürdigkeit der betroffenen Person stets als negativer Faktor verwendet. Im vorliegenden Fall hat der deutsche Gesetzgeber eine sechsmonatige Speicherung der Daten vorgesehen. Er geht daher davon aus, dass nach Ablauf der sechs Monate die Rechte und Interessen der betroffenen Person diejenigen der Öffentlichkeit, über diese Information zu verfügen, überwiegen.

Löschungsanspruch

Soweit die Speicherung der Daten nicht rechtmäßig ist, wie dies nach Ablauf der sechs Monate der Fall ist, hat die betroffene Person das Recht auf Löschung dieser Daten, und die Auskunftei ist verpflichtet, sie unverzüglich zu löschen.

Was die parallele Speicherung solcher Informationen durch die SCHUFA während dieser sechs Monate angeht, ist es Sache des vorlegenden Gerichts, die in Rede stehenden Interessen gegeneinander abzuwägen, um die Rechtmäßigkeit dieser Speicherung zu beurteilen. Sollte es zu dem Ergebnis kommen, dass die parallele Speicherung während der sechs Monate rechtmäßig ist, hat die betroffene Person dennoch das Recht, Widerspruch gegen die Verarbeitung ihrer Daten einzulegen, sowie das Recht auf deren Löschung, es sei denn, die SCHUFA weist das Vorliegen zwingender schutzwürdiger Gründe nach.

Schließlich betont der EuGH, dass die nationalen Gerichte jeden rechtsverbindlichen Beschluss einer Aufsichtsbehörde einer vollständigen inhaltlichen Überprüfung unterziehen können müssen.

Quelle | EuGH, Urteile vom 7.12.2023, C-634/21, C-26/22 und C-64/22, PM 186/23

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Berechnung der Verzugszinsen

Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten.

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Januar 2024 bis zum 30. Juni 2024 beträgt 3,62 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).

Übersicht /  Basiszinssätze

Zeitraum Zinssatz
01.07.2023 bis 31.12.2023 3,12 Prozent
01.01.2023 bis 30.06.2023 1,62 Prozent
01.07.2022 bis 31.12.2022 -0,88 Prozent
01.01.2022 bis 30.06.2022 -0,88 Prozent
01.07.2021 bis 31.12.2021 -0,88 Prozent
01.01.2021 bis 30.06.2021 -0,88 Prozent
01.07.2020 bis 31.12.2020 -0,88 Prozent
01.01.2020 bis 30.06.2020 -0,88 Prozent
01.07.2019 bis 31.12.2019 -0,88 Prozent
01.01.2019 bis 30.06.2019 -0,88 Prozent
01.07.2018 bis 31.12.2018 -0,88 Prozent
01.01.2018 bis 30.06.2018 -0,88 Prozent
01.07.2017 bis 31.12.2017 -0,88 Prozent
01.01.2017 bis 30.06.2017 -0,88 Prozent
01.07.2016 bis 31.12.2016 -0,88 Prozent
01.01.2016 bis 30.06.2016 -0,83 Prozent
01.07.2015 bis 31.12.2015 -0,83 Prozent
01.01.2015 bis 30.06.2015 -0,83 Prozent
01.07.2014 bis 31.12.2014 -0,73 Prozent
01.01.2014 bis 30.06.2014 -0,63 Prozent
01.07.2013 bis 31.12.2013 -0,38 Prozent
01.01.2013 bis 30.06.2013 -0,13 Prozent
01.07.2012 bis 31.12.2012 0,12 Prozent
01.01.2012 bis 30.06.2012 0,12 Prozent
01.07.2011 bis 31.12.2011 0,37 Prozent
01.01.2011 bis 30.06.2011 0,12 Prozent