November 2022

Arbeitsrecht

Berechnungsformel: Urlaubsanspruch bei Wechselschichttätigkeit

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg hat entschieden: Bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L) sind Freischichten nicht zu berücksichtigen, wenn diese bei Fälligkeit des Urlaubsanspruchs zu Beginn des Kalenderjahrs nicht dienstplanmäßig feststehen.

Das war geschehen

Die Klägerin ist bei dem beklagten Land im Gefangenenbewachungsdienst in Wechselschicht beschäftigt. Das beklagte Land stellt die Dienstpläne für das jeweils folgende Kalenderjahr vor Beginn des Jahres auf und sieht bei der Dienstplanung einen durchgehenden Turnus im gesamten Kalenderjahr ohne Einplanung von Freischichten, Urlaubstagen und Zusatzurlaubstagen vor. Die Dienstpläne haben einen von der 5-Tage-Woche abweichenden Schicht-Rhythmus. Aufgrund der Abweichung ist die Höhe des Urlaubsanspruchs nach § 26 Abs. 1 S. 4 TV-L gesondert zu berechnen.

Dies erfolgt nach der Formel:

Urlaubstage x Arbeitstage im Jahr bei abweichender Verteilung


Arbeitstage im Jahr bei einer Fünftagewoche

Streit besteht zwischen den Parteien darüber, wie die in der Formel einzusetzenden Arbeitstage zu ermitteln sind. Das beklagte Land hat bei der Ermittlung der Arbeitstage der Klägerin die durchschnittlich zum Zweck der Einhaltung der tariflichen Jahresarbeitszeit in der Wechselschicht zu gewährenden Freischichten von den dienstplanmäßig vorgesehenen Schichten abgezogen. Die Freischichten seien abzuziehen, weil während dieser Schichten keine Arbeitspflicht bestehe. Die Klägerin hält den Abzug der Freischichten von den dienstplanmäßigen Arbeitstagen für unzulässig und hat auf die Feststellung weiterer Urlaubstage geklagt.

So sieht es das LAG

Das LAG hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Bei einer von der Fünf-Tage-Woche abweichenden Verteilung der Arbeitszeit sei zu ermitteln, an wie vielen Kalendertagen dienstplanmäßig gearbeitet werden muss oder – in Fällen des nachträglichen Wegfalls der Arbeitspflicht, etwa wegen Arbeitsunfähigkeit, Urlaubs oder sonstiger Freistellung – hätte gearbeitet werden müssen. Bei einem zu Beginn des Kalenderjahrs durchgängig für das gesamte Jahr aufgestellten Dienstplan ohne Einplanung von Freischichten seien Arbeitstage alle Kalendertage, an denen die Beschäftigten für einen Arbeitseinsatz in der Tag- oder Nachtschicht vorgesehen seien. § 26 Abs. 1 S. 3 TV-L regele ausdrücklich, dass Arbeitstage solche Kalendertage seien, an denen die Beschäftigten dienstplanmäßig zur Arbeit vorgesehen seien. Nachträgliche Änderungen des Dienstplans hätten keinen Einfluss auf den Jahresurlaubsanspruch, der am 1.1. des Kalenderjahrs fällig sei und genommen werden könne. Es könne nicht erst am Jahresende rückblickend geprüft und festgestellt werden, wie viele Freischichten an ursprünglich geplanten Arbeitstagen tatsächlich gewährt worden seien – im Fall der Klägerin deutlich weniger als die durchschnittlich zu gewährenden Freischichten.

Das LAG hat die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) nicht zugelassen.

Quelle | LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 4.5.2022, 23 Sa 1135/21, PM 13/22 vom 24.6.2022

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Änderungskündigung: Elternzeit schützt nicht vor Kündigung

Eine Arbeitnehmerin hat sich erfolglos gegen eine während der Elternzeit aus betriebsbedingten Gründen ausgesprochenen Änderungskündigung gewandt. Das Integrationsamt hatte der Kündigung zugestimmt. Dabei bleib es auch nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Berlin-Brandenburg.

Durch die Änderung sollte das Arbeitsverhältnis zu den Bedingungen und mit den Aufgaben durchgeführt werden, die die Arbeitnehmerin vor Zuweisung des nach Behauptung der Arbeitgeberin weggefallenen anderweitigen Arbeitsplatzes innehatte. Bei einer Änderungskündigung handelt es sich nämlich um eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses – verbunden mit dem gleichzeitigen Angebot, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Arbeitsbedingungen fortzusetzen.

Der ursprüngliche Arbeitsplatz der Arbeitnehmerin sei durch eine zulässige unternehmerische Entscheidung weggefallen. Eine Beschäftigung zu den bisherigen Bedingungen sei nicht mehr möglich. Deshalb habe die Arbeitgeberin nach der Zustimmung des Integrationsamts der Arbeitnehmerin auch während der Elternzeit kündigen und ihr anbieten dürfen, das Arbeitsverhältnis zu geänderten Bedingungen fortzusetzen.

Da die Arbeitnehmerin das Änderungsangebot abgelehnt hat, wurde das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung beendet.

Quelle | LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 5.7.2022, 16 Sa 1750/21, PM 15/22 vom 6.7.2022

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Betriebsübergang: Widerspruchsfrist greift nicht bei unvollständiger Information des Arbeitgebers

Die Monatsfrist des § 613a Abs. 6 S. 1 BGB zum Widerspruch gegen den Übergang eines Arbeitsverhältnisses infolge Betriebsübergangs beginnt nicht nur bei fehlerhafter Information des Arbeitnehmers nicht zu laufen, sondern auch nicht bei unvollständiger Information. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf.

Geht es um die rechtlich schwierig zu beurteilende (Weiter-) Geltung eines Tarifvertrags beim Erwerber und ist dieser Umstand für die Ausübung des Widerspruchsrechts ersichtlich von Bedeutung, müssen der Betriebsveräußerer und/oder der Betriebserwerber sich hierzu ausdrücklich und in einer für Nichtjuristen verständlichen Weise erklären. Danach konnte das Unterrichtungsschreiben des Arbeitgebers die o. g. Widerspruchsfrist nicht in Gang setzen, weil die dort enthaltenen Informationen teilweise – wenn auch nicht notwendig falsch – so doch zumindest unklar und unvollständig waren. Ihm ließ sich vor allem nicht entnehmen, ob ein bestimmter Tarifvertrag im Fall des Übergangs des Arbeitsverhältnisses gelten sollte oder nicht.

Dieser Umstand ist so bedeutend, dass er als relevantes Kriterium für einen möglichen Widerspruch des Klägers gegen einen Übergang seines Arbeitsverhältnisses in Betracht kam.

Quelle | LAG Düsseldorf, Urteil vom 26.7.2022, 8 Sa 68/20

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Gleichbehandlungsgrundsatz: Betroffener muss wie ein vergleichbarer Mitarbeiter gestellt werden

Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz erfasst auch freiwillige aktienorientierte Vergütungsbestandteile in Form sogenannter Phantom Shares. So entschied es das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg.

Die Parteien stritten zweitinstanzlich u. a. über aktienorientierte Vergütungsbestandteile des Arbeitnehmers (Klägers). Der Arbeitnehmer meinte, sie stünden ihm – wie vergleichbaren Mitarbeitern auch – zu, während der Arbeitgeber (Beklagter) ihm diese verweigerte.

Das OLG befand, dass der Arbeitnehmer einen solchen Anspruch hatte. Da ihm dieser zu Unrecht verweigert worden war, müsse er so gestellt werden, wie vergleichbare Mitarbeitende der entsprechenden Führungsebene. Werde aber die beanspruchte Zuteilung solcher Phantom Shares entsprechend den Regelungen des Performance Phantom Share Plans über die damit verfolgte personenbezogene Ziel- und Zwecksetzung durch Zeitablauf unmöglich, komme als Sekundäranspruch ein Schadenersatzanspruch in Betracht.

Quelle | LAG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.10.2021, 7 Sa 26/21

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Entlassungen: Wenn der Arbeitgeber von den Sozialauswahlkriterien abweicht, die er dem Betriebsrat mitgeteilt hat…

Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat im Rahmen der Konsultation schriftlich über die vorgesehenen Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer unterrichten. Was aber, wenn er beabsichtigt, in wesentlichem Umfang von den Kriterien der Sozialauswahl abzuweichen, die er dem Betriebsrat bei Einleitung des Konsultationsverfahrens mitgeteilt hat? Dann muss er dies nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts (LAG) Düsseldorf dem Betriebsrat mitteilen.

Unterlässt er dies, ist eine nach den veränderten Kriterien für die Sozialauswahl ausgesprochene Kündigung wegen Verletzung der Unterrichtungspflicht unwirksam.

Geklagt hatte ein Flugkapitän, der mehr als 15 Jahre bei einer Fluggesellschaft mit über 2.000 Mitarbeitern beschäftigt war. Somit konnte eine Kündigung nur aus wichtigem Grund erfolgen. Die Fluggesellschaft wollte als wirtschaftliche Maßnahmen eine Flottenreduzierung, Stationsschließungen und die Neustrukturierung des Streckennetzes vornehmen. Dementsprechend sollte das Personal reduziert werden.

Unter anderem, weil das Gericht weder eine ordnungsgemäße Anhörung der Personalvertretung noch eine hinreichende Darstellung des betriebsbedingten Kündigungsgrundes feststellen konnte, war die Kündigung unwirksam.

Quelle | LAG Düsseldorf, Urteil vom 24.3.2022, 13 Sa 998/21

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Baurecht

Unvollständige Grundlagenermittlung: Architekt haftet nicht für entgangene Steuervergünstigungen

Ein mit der Grundlagenermittlung und Entwurfsplanung beauftragter Architekt muss seinen Auftraggeber über ein denkmalschutzrechtliches Genehmigungserfordernis aufklären. Zweck dieser Pflicht ist es, den Bauherrn in die Lage zu versetzen, die Realisierungschancen des Vorhabens einschätzen zu können. Nicht zum Schutzzweck der Verpflichtung gehört dagegen, den Bauherrn vor etwaigen Steuerschäden im Zusammenhang mit bestehenden Genehmigungserfordernissen zu bewahren. Der Bauherr kann deshalb bei unvollständiger Grundlagenermittlung nicht Ersatz entgangener steuerlicher Vergünstigungen beanspruchen. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. hat die Berufung der Bauherren zurückgewiesen.

Das war geschehen

Die Bauherren beabsichtigten, eine Dachgeschosswohnung im Frankfurter Westend zu sanieren und beauftragten einen Architekten mit Architektenleistungen. Dieser klagte vor dem Landgericht (LG) ausstehendes Honorar ein. Die Bauherren beriefen sich dagegen u.a. auf Schadenersatzansprüche gegen den Architekten, da fälschlich erklärt worden sei, dass denkmalschutzrechtliche Gesichtspunkte beim Innenausbau unbeachtlich seien. Tatsächlich hätten sie bei richtiger Aufklärung das gesamte Bauvorhaben im Wege einer Sonderabschreibung nach dem Einkommensteuergesetz (§ 7h EStG) fördern lassen können. Ihnen sei wegen der falschen Aufklärung damit ein Steuerschaden in Höhe von gut 5.000 Euro entstanden.

So sahen es die Gerichte

Das LG hatte dem Architekten ausstehendes Honorar zugesprochen und den Schadenersatzanspruch der beklagten Bauherren wegen entgangener Steuervergünstigungen abgewiesen. Die Berufung der Bauherren hiergegen hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg.

Der Architekt habe zwar pflichtwidrig nicht über die denkmalschutzrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit aufgeklärt, begründet das OLG seine Entscheidung. Auch im Rahmen der hier beauftragten Grundlagenermittlung und Entwurfsplanung müsse ein Architekt über die Genehmigungsbedürftigkeit eines Bauvorhabens vollständig und richtig informieren. Die Entwurfsplanung müsse zudem genehmigungsfähig erstellt werden. Dabei komme es nicht darauf an, ob bei der Beauftragung der Bauherr zum Ausdruck gebracht habe, bestimmte steuerliche Vergünstigungen in Anspruch nehmen zu wollen.

Es fehle aber am Zurechnungszusammenhang zwischen dieser Pflichtverletzung und dem behaupteten Steuerschaden. Grundsätzlich hafte der Vertragspartner bei einer Pflichtverletzung nur für Schäden, die bei ordnungsgemäßer Erfüllung der Pflichten gerade verhindert werden sollen. Dieser Schutzzweckzusammenhang liegt hier nicht vor. Die ordnungsgemäße Grundlagenermittlung betreffe zwar auch wirtschaftliche Folgen eines Bauvorhabens. Sie solle den Bauherrn über die erwarteten Kosten informieren, damit er sich auf einer geeigneten Grundlage für die Durchführung des Vorhabens entscheiden kann. Es bestehe aber keine allgemeine Verpflichtung des Architekten, in jeder Hinsicht die Vermögensinteressen des Bauherrn wahrzunehmen. Die Ermittlung der Genehmigungsbedürftigkeit betreffe nicht die wirtschaftlichen Fragen des Bauvorhabens, sondern diene dazu, die Realisierungschancen einschätzen zu können. „Sie zielt – jedenfalls ohne weitere Vereinbarung oder besondere Umstände – nicht darauf, dem Besteller die Möglichkeit steuerlicher Vergünstigungen zu erschließen“, betont das OLG. Solche Vergünstigungen seien vielmehr allein ein „Reflex der Genehmigung“.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle | OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 25.4.2022, 29 U 185/20, PM 53/22

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Honorarvereinbarungen: Mindestsätze der HOAI 2013 bei Verträgen zwischen Privatpersonen weiter anwendbar

Die Mindestsätze der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI 2013) können in einem laufenden Gerichtsverfahren zwischen Privatpersonen weiter als verbindliches Preisrecht anzuwenden sein. Folge: Aufstockungsklagen können Erfolg haben. So entschied es der Bundesgerichtshof (BGH).

Der BGH: Deutschland hat mit dem verbindlichen Preisrecht der HOAI 2013 zwar gegen die EU-Dienstleistungsrichtlinie verstoßen. Trotzdem kann sich ein Planer grundsätzlich auf eine bestehende nationale Rechtsvorschrift (hier: HOAI 2013) berufen, solange diese weiterhin im Land gültig und im Verhältnis der Parteien anwendbar ist. Die EU-Dienstleistungsrichtlinie muss zunächst in nationales Recht umgesetzt werden, um bei Verträgen zwischen Privatpersonen zu gelten. Das war aber erst mit der HOAI 2021 erfolgt. Nach den o. g. Maßgaben ist die HOAI 2013 folglich bei Verträgen zwischen Privaten weiterhin anwendbar (Vertragsabschluss bis 31.12.2020).

Im konkreten Fall hatte ein Planer im Jahr 2016 einen Vertrag abgeschlossen, der ein Pauschalhonorar enthielt. Zu diesem Zeitpunkt galt die HOAI 2013. Das vereinbarte Pauschalhonorar lag unter dem Mindestsatz. Der Planer klagte die Differenz zum Mindestsatz ein. Es ging immerhin um 102.934,59 Euro. Diese Aufstockungsklage hatte Erfolg.

Quelle | BGH, Urteil vom 2.6.2022, VII ZR 174/19

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Leistungskürzung: So ist die Abrechnung von Stundenlohnarbeiten zu prüfen

Bei der Rechnungsprüfung von Stundenlohnarbeiten oder Zeithonoraren wird oft darüber gestritten, ob der abgerechnete Zeitaufwand tatsächlich erforderlich war. Das Oberlandesgericht (OLG) Köln hat dazu nun wichtige Grundsätze aufgestellt.

Im Fall des OLG ging es um die Abrechnung von Handschachtungen (z. B. „Zwischentransport der Handschachtung in Schubkarre und Aufladen auf Fahrzeug“). Der Auftraggeber kürzte die Zahl der abgerechneten Stunden, der Auftragnehmer klagte.

Das OLG hat sich zwar nur allgemein geäußert. Seine Ausführungen können aber im Rahmen der Bauüberwachung bei der Rechnungsprüfung nützlich sein:

Das OLG: An die fachlichen Anforderungen zur Begründung der Kürzung dürfen keine überhöhten Anforderungen gestellt werden. Es genügen Kürzungsgründe, die der Rechnungssteller auf ihre Richtigkeit überprüfen und somit darauf eingehen kann.

Quelle | OLG Köln, Urteil vom 16.12.2021, 7 U 12/20

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Familien- und Erbrecht

Inhaltsirrtum: Wenn die Erbausschlagung missglückt…

Ein Irrtum über die Person desjenigen, dem die Ausschlagung der Erbschaft zugutekommt, berechtigt nicht zur Anfechtung. Es handelt sich dabei lediglich um einen unbeachtlichen Motivirrtum. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Hamm.

Die Kinder der Ehefrau des Erblassers hatten das Erbe mit dem Ziel ausgeschlagen, die Alleinerbenstellung der Mutter zu erreichen. Sie hatten dabei aber verkannt, dass sich dann noch die Frage nach anderen gesetzlichen Erben der ersten und zweiten Ordnung stellt. Die auf diese Erkenntnis folgende Anfechtung der Erbausschlagung hat das OLG zurückgewiesen.

Man kann aber auch anderer Meinung sein. So hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf entschieden, dass ein zur Anfechtung berechtigender Inhaltsirrtum vorliegt, wenn der (auch rechtskundig beratene) Erklärende über Rechtsfolgen seiner Willenserklärung irrt, weil das Rechtsgeschäft nicht nur die von ihm erstrebten Rechtswirkungen, sondern wesentlich andere als die beabsichtigten Wirkungen erzeugt.

Beachten Sie | Bei Erbausschlagungen ist also stets Vorsicht geboten.

Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 21.4.2022, 15 W 51/19; OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 21.9.2017, 3 Wx 173/17 und vom 12.3.2019, 3 Wx 166/17

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Mietrecht und WEG

WEG-Recht: Eigentümergemeinschaft kann Schwimmbad und Sauna nicht per Beschluss stilllegen

Sind in der Teilungserklärung oder Gemeinschaftsordnung bestimmte Gemeinschaftseinrichtungen (hier: Schwimmbad und Sauna) und die Pflicht der Gemeinschaft zu deren Erhaltung vorgesehen, widersprechen Beschlüsse über deren Stilllegung ordnungsmäßiger Verwaltung. Eine Stilllegung ist nur einstimmig möglich. So hat es das Amtsgericht (AG) Hamburg-Altona entschieden.

Im Kern ging es um die praxisrelevante Frage, ob die Kompetenz der Eigentümergemeinschaft, bauliche Veränderungen zu beschließen, so weit geht, dass dadurch faktisch die Teilungserklärung nebst Gemeinschaftsordnung bzw. die in ihr niedergelegte Zweckbestimmung gemeinschaftlicher Flächen oder Einrichtungen geändert wird. Denn es gibt in vielen Gemeinschaften Einrichtungen, die nicht mehr zeitgemäß oder gewünscht sind, z. B. Müllabwurfanlagen.

Das war geschehen

Im Fall des AG verfügte eine Wohnungseigentumsanlage über ein in die Jahre gekommenes und entsprechend instandsetzungsbedürftiges Schwimmbad nebst Sauna. Beide Einrichtungen wurden in der Teilungserklärung als Teil des Gemeinschaftseigentums aufgeführt. Weiter sah die Teilungserklärung vor, dass die Instandhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums der Gemeinschaft obliegt. Statt der Instandsetzung wurde in einer Eigentümerversammlung die Stilllegung von Schwimmbad und Sauna beschlossen und die Verwaltung zur Erteilung entsprechender Aufträge für die bauliche Umsetzung ermächtigt. Nach Auffassung der Gemeinschaft war der Stilllegungsbeschluss als Grundlagenbeschluss über eine bauliche Veränderung zu verstehen. Der Beschluss sei rechtmäßig, weil das neue Recht wesentlich veränderungsfreundlicher geworden sei.

Anfechtungsklage gegen den Beschluss – Einstimmigkeit nötig

Dagegen wandte sich ein Eigentümer mit der Anfechtungsklage – mit Erfolg. Das AG zweifelte schon daran, ob die Stilllegung einer Einrichtung überhaupt eine bauliche Veränderung sein kann. Unabhängig davon sei eine Beschlussfassung über bauliche Veränderungen nur in den Grenzen des Wohnungseigentumsgesetzes (hier: § 19 Abs. 1 WEG) zulässig. Aus dem Wortlaut der Norm ergebe sich, dass eine Beschlussfassung, die einer Vereinbarung widerspreche, gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung verstoße. Schon im alten Recht habe gegolten, dass bauliche Veränderungen nur dann beschlossen werden durften, wenn keine Vereinbarung entgegenstand. Weil die Teilungserklärung vorschreibe, dass Schwimmbad und Sauna durch die Gemeinschaft instand zu halten seien, sei eine Stilllegung nur einstimmig möglich.

Quelle | AG Hamburg-Altona, Urteil vom 11.1.22, 303c C 10/21

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Erwartete Kostensteigerungen: Betriebskostenvorauszahlungen dürfen nicht ohne Weiteres erhöht werden

Die Mietvertragsparteien können wirksam formularvertraglich vereinbaren, dass ein beiderseitiges Anpassungsrecht der Betriebskostenhöhe durch zugangsbedürftige Erklärung bei Kostenänderungen aufgrund von geänderten Bezugspreisen besteht. Insoweit kommt es aber darauf an, ob sich der Vermieter auch bei entsprechenden Kostensteigerungen eine Erhöhung der Vorauszahlung mietvertraglich zusätzlich vorbehalten hat. So sieht es das Amtsgericht (AG) Hamburg.

Der Vermieter einer Wohnung verlangte vom Mieter bei einer Betriebskostennachforderung von 11,52 Euro eine Erhöhung der monatlichen Vorauszahlungen um 45,40 Euro. Er begründete die Erhöhung mit nicht näher spezifizierten erwarteten Kostensteigerungen. Das wollte der Mieter nicht mitmachen. Auch dem AG Hamburg genügt das nicht. Die entsprechende Erklärung genüge nicht den Anforderungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier: § 560 Abs. 4 BGB), da dieses ausdrücklich auf das Ergebnis einer Betriebskostenabrechnung abstelle.

Quelle | AG Hamburg, Urteil vom 27.6.22, 49 C 13/22

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Mietende: Ohne Vorenthaltung gibt es keine Nutzungsentschädigung

Nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (hier: § 546a BGB) kann der Vermieter als Entschädigung die vereinbarte Miete oder die Miete verlangen, die für vergleichbare Sachen ortsüblich ist, wenn der Mieter die Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses nicht zurückgibt. Voraussetzung: Der Mieter muss die Mietsache dem Vermieter „vorenthalten“. Die Mietsache wird jedoch nicht vorenthalten, wenn der Vermieter – wie hier – das Fehlen des erforderlichen Rücknahmewillens bekundet, etwa dadurch, dass er die angebotene Rückgabe ablehnt oder zu erkennen gibt, dass er das Mietverhältnis als nicht beendet ansieht. So hat es nun das Landgericht (LG) Berlin entschieden.

Das LG Berlin „kassierte“ damit eine Entscheidung des Amtsgerichts (AG), das anderer Auffassung war und sich gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) gestellt hatte.

Quelle | LG Berlin, Urteil vom 22.3.2022, 67 T 13/22

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Verbraucherrecht

Lebensversicherung: Fristbeginn des Widerspruchs „ab Erhalt der Unterlagen“

Eine Widerspruchsbelehrung zu einem Lebensversicherungsvertrag, die für den Beginn des Fristenlaufs für den Widerspruch auf „den Erhalt“ der Unterlagen abstellt, ist ausreichend. So entschied es jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Dresden.

Die Begründung des OLG: Ohne dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen kennen muss, wird er nach seinem maßgeblichen Empfängerhorizont die Belehrung so verstehen, dass die Frist durch den Zugang der genannten Unterlagen in Gang gesetzt wird und 14 Tage später am gleichen Wochentag abläuft. Die Belehrung vermittelt insbesondere nicht den falschen Eindruck, der Tag des Zugangs des Versicherungsscheins, der Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformationen zähle mit.

Quelle | OLG Dresden, Beschluss vom 6.1.2022, 4 U 2394/21

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Falsche Versprechungen: „Idyllisches Wohnen“ entpuppt sich als Täuschung: Maklerin muss Courtage zurückzahlen

Der Käufer eines Grundstücks kann den Kaufvertrag wegen Täuschung anfechten, wenn ihm der Verkäufer in wesentlichen Punkten falsche Versprechungen gemacht hat. In diesem Fall verliert auch die Immobilienmaklerin ihren Anspruch auf die Maklercourtage, und zwar auch dann, wenn sie nichts von der Täuschung wusste. Die bereits gezahlte Maklercourtage muss sie wieder zurückzahlen. Das entschied das Landgericht (LG) Frankenthal in einem aktuellen Verfahren.

Das war geschehen

Ein Ehepaar aus Baden erwarb Ende 2016 eine Immobilie im Außenbereich einer kleinen Gemeinde im Landkreis Germersheim. Im Exposé der Maklerin wurde das Objekt beworben mit: „Idyllisches Wohnen in ruhiger sonniger Alleinlage“. Allerdings hatte der Verkäufer noch vor dem Verkauf von der Baubehörde erfahren, dass das Außenbereichsgelände nur in Kombination mit einem landwirtschaftlichen Betrieb zu Wohnzwecken genutzt werden dürfe. Den Käufern, die somit dort nicht wohnen durften, teilte er dies jedoch nicht mit. Auch die Maklerin hatte davon keine Kenntnis.

Anfechtung des Kaufvertrags

Als das Ehepaar im Laufe des Jahres 2017 erfuhr, dass die erworbene Immobilie für sie nicht als Wohnhaus nutzbar war, erklärten sie die Anfechtung des Kaufvertrags, mit der Folge, dass dieser rückwirkend unwirksam wurde. Damit war auch dem Anspruch der Maklerin auf die Vermittlungsprovision der Rechtsgrund entzogen, so das LG. Der Anspruch bestehe nur bei wirksamem Abschluss eines Kaufvertrags. Das Risiko, dass diese Wirksamkeit wieder wegfalle, trage die Maklerin.

Keine Verjährung

Der Anspruch auf Rückzahlung der Maklerprovision sei auch noch nicht verjährt. Die Verjährungsfrist betrage in diesen Fällen drei Jahre ab Kenntnis der Gründe für die Rückforderung. Diese Kenntnis erlangten die Käufer zwar bereits im Jahr 2017, als sie von der arglistigen Täuschung durch den Verkäufer erfuhren. Folglich wären in diesem Zusammenhang stehende Ansprüche normalerweise mit Ablauf des Jahres 2020 verjährt. Jedoch hatten die Eheleute bereits im Dezember 2020 einen Mahnbescheid beantragt, sodass der Lauf der Verjährung ab diesem Zeitpunkt gehemmt war. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 6.4.2022, 4 O 208/21, PM vom 31.5.2022

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Verkehrsrecht

Nach dem TÜV-Besuch: Wenn die Motorhaube plötzlich hochklappt…

Was für ein Schreck! Als die beiden Frauen mit dem Auto auf die Stadtautobahn auffuhren, klappte auf einmal die Motorhaube hoch und die Sicht war versperrt. Geistesgegenwärtig konnten die beiden auf den Seitenstreifen fahren. Personenschaden gab es keinen. Aber der Pkw (Renault Clio) hatte einen Totalschaden. Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg sprach Schadenersatz zu.

Kurz zuvor war der Ehemann der Fahrerin zur Hauptuntersuchung beim Technischen Überwachungsverein (TÜV) gewesen und hatte die orangene Plakette erhalten. Er verklagte das Land Niedersachsen vor dem Landgericht (LG) Oldenburg auf Schadenersatz. Zunächst ohne Erfolg. Das LG wies die Klage ab und argumentierte, ein Verschulden des TÜV-Prüfers stehe nicht fest. Der Prüfer hatte vor Gericht ausgesagt, er kontrolliere nach der Prüfung des Motors stets standardmäßig, dass die Motorhaube wieder ordnungsgemäß einraste. Warum sie letztlich hochgeklappt sei, könne nicht mehr festgestellt werden, so das LG.

Der Kläger hatte mit seiner Berufung gegen dieses Urteil beim OLG jetzt Erfolg. Nach den Ausführungen des gerichtlich hinzugezogenen Sachverständigen stehe fest, dass die Motorhaube nicht ordnungsgemäß verriegelt gewesen sei, so das OLG. Der ganze Schließmechanismus sei entfettet und trocken gewesen, was dazu geführt habe, dass das Schloss nicht richtig arretiert habe. Offenbar habe der Prüfer die Arretierung der Motorhaube nicht sichergestellt. Eine andere Schadensursache komme nicht infrage. Insbesondere könne ausgeschlossen werden, dass der Kläger oder seine Frau die Motorhaube nach der TÜV-Untersuchung geöffnet und dann nicht wieder richtig verschlossen hätten. Für sie hätte so kurz nach dem TÜV-Besuch auch keine Verpflichtung bestanden, das Auto noch einmal zu kontrollieren. Der Kläger müsse sich daher auch kein Mitverschulden anrechnen lassen.

Der Kläger erhält nach dem Richterspruch Ersatz für den Totalschaden. Außerdem muss das Land Niedersachsen ihm die Rechtsanwaltskosten ersetzen.

Quelle | OLG Oldenburg, Urteil vom 3.6.2022, 6 U 31/22

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Haftungsquote: Hälftige Haftung bei Unfall auf Baumarkt-Parkplatz

Auf Fahrgassen eines Parkplatzes, die vorrangig der Parkplatzsuche dienen und nicht dem fließenden Verkehr, gilt nicht die Vorfahrtsregel „rechts vor links“! Die Fahrer sind vielmehr verpflichtet, defensiv zu fahren und die Verständigung mit dem anderen Fahrer zu suchen. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat eine hälftige Haftungsquote für die Unfallfolgen auf einem Parkplatz eines Baumarkts ausgesprochen.

Das war geschehen

Der Kläger begehrt restlichen Schadenersatz nach einem Verkehrsunfall auf dem Parkplatz eines Baumarkts in Wiesbaden. Der Betreiber hatte die Geltung der StVO angeordnet. Auf die zur Ausfahrt des Parkplatzgeländes führende Fahrgasse münden von rechts mehrere Fahrgassen ein. Der Beklagte befuhr eine dieser von rechts auf die Ausfahrtfahrgasse einmündenden Fahrgassen, an deren beiden Seiten sich im rechten Winkel angeordnete Parkboxen befanden. Auch die zur Ausfahrt führende Fahrgasse verfügt im linken Bereich über Parkboxen. Im Einmündungsbereich der Fahrgassen kam es zum Zusammenstoß mit dem klägerischen Fahrzeug.

Berufungsverhandlung ging nicht wunschgemäß aus

Das Landgericht (LG) hat der Klage auf Basis einer Haftung des Beklagten in Höhe von 25 Prozent stattgegeben. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers führte zu einer Änderung der Haftungsquote auf 50 Prozent. Maßgeblich für die Höhe der Schadenersatzverpflichtung des Beklagten sei, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden sei, betonte das OLG. Die Verursachungsbeiträge der Fahrer der unfallbeteiligten Fahrzeuge seien hier als gleichgewichtig anzusehen und der Schaden zu teilen.

Gegenseitige Rücksichtnahme erwartet

Der Beklagte könne nicht geltend machen, dass sein Vorfahrtsrecht verletzt wurde. Zwar seien die Regeln der Straßenverkehrsordnung auf öffentlich zugänglichen Privatparkplätzen wie hier grundsätzlich anwendbar. Fahrgassen auf Parkplätzen seien jedoch keine dem fließenden Verkehr dienenden Straßen und gewährten deshalb keine Vorfahrt. „Kreuzen sich zwei dem Parkplatzsuchverkehr dienende Fahrgassen eines Parkplatzes..., gilt für die herannahenden Fahrzeugführer das Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme..., d.h. jeder Fahrzeugführer ist verpflichtet, defensiv zu fahren und die Verständigung mit dem jeweils anderen Fahrzeugführer zu suchen“, unterstreicht das OLG.

Fahrgassen ohne Straßencharakter: kein fließender Verkehr

Etwas anderes gelte nur, wenn die angelegten Fahrspuren eindeutig und unmissverständlich Straßencharakter hätten und sich bereits aus ihrer baulichen Anlage ergebe, dass sie nicht der Suche von freien Parkplätzen dienten, sondern der Zu- und Abfahrt der Fahrzeuge. Für einen solchen Straßencharakter könnten etwa die Breite der Fahrgassen sprechen oder auch bauliche Merkmale einer Straße wie Bürgersteige, Randstreifen oder Gräben. Derartige straßentypische bauliche Merkmale fehlten hier. Die Fahrgassen dienten ersichtlich nicht dem fließenden Verkehr, da an ihnen jeweils Parkboxen angeordnet waren. Da es am Straßencharakter für die vom Klägerfahrzeug befahrene Fahrgasse fehle, habe der Beklagte auch nicht die hohen Sorgfaltsanforderungen beim Einfahren auf eine Fahrbahn gemäß der Straßenverkehrsordnung (§ 10 StVO) erfüllen müssen.

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 22.6.2022, 17 U 21/22, PM 59/22

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Wiederbeschaffungswert: Großkundenrabatt bei jungen Gebrauchtwagen

Das Amtsgericht (AG) München hat aktuell in einem Fall zum Thema „Großkundenrabatt und dessen Einfluss auf den Wiederbeschaffungswert“ eine interessante Entscheidung getroffen. In jüngster Zeit leisten Versicherer immer mehr Widerstand, wenn es um die Regulierung solcher Fälle geht.

Der Kläger, ein mittelständischer Autovermieter, kauft pro Jahr rund 1.000 Autos. Er greift dabei vereinzelt auch auf junge Gebrauchtwagen zurück, um sie zwecks Vermietung einzusetzen. Ein solches Fahrzeug erlitt einen Totalschaden. Es wurde wieder durch einen Gebrauchtwagen ersetzt. Damit kam es konkret auf die Frage an, ob der Geschädigte auf Gebrauchtwagen einen Großkundennachlass bekommt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme war das Ergebnis negativ. Damit bleib es beim ermittelten Wiederbeschaffungswert.

Quelle | AG München, Urteil vom 27.7.2022, 341 C 920/22

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Personenschaden: Wasserbett als Schadenersatz nach Verkehrsunfall?

Es ist möglich, dass der Schädiger nach einem Verkehrsunfall die Kosten des Geschädigten für die Anschaffung eines Wasserbetts erstatten muss. Das Oberlandesgericht (OLG) Hamm knüpft jedoch bestimmte Voraussetzungen hieran.

So setzt nach der Entscheidung des OLG der Anspruch auf materiellen Schadenersatz wegen der Anschaffungskosten eines Wasserbetts voraus, dass die Anschaffung des Wasserbetts erforderlich im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (hier § 249 Abs. 2 BGB: „Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen.“) gewesen ist.

Das war nach Ansicht der Richter im vorliegenden Fall jedoch nicht gegeben. Entgegen der Darstellung des Klägers habe nämlich bereits keine ärztliche Verordnung vorgelegen, sondern nur eine hausärztliche Empfehlung. Der gerichtliche Sachverständige hat in seinem schriftlichen Sachverständigengutachten explizit das Vorliegen einer medizinischen Indikation für ein sog. Wasserbett aus orthopädisch-unfallmedizinischer Sicht verneint.

Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 18.1.22, 7 U 100/20

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Verkehrssicherungspflicht: Wenn der höhenbewegliche Poller beim Überfahren plötzlich hochfährt…

Ein Poller, der von einem Durchfahrtberechtigten ferngesteuert abgesenkt werden kann, muss mit mehreren Sicherungseinrichtungen versehen sein. Diese müssen verhindern, dass der Poller automatisch hochfährt, während ein – auch unberechtigtes – weiteres Fahrzeug darüberfährt. So hat es jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart entschieden.

Der Kläger folgte mit seinem Pkw dem Pkw eines für einen Parkplatz Zufahrtsberechtigten. Am Eingang des Parkplatzes befindet sich eine automatische Polleranlage. Diese ist üblicherweise hochgefahren. Der Poller kann per Funk abgesenkt werden. Ein Schild oder Verkehrszeichen mit einem Hinweis auf die Polleranlage fehlt. Auch eine Ampel war zum Zeitpunkt des Ereignisses nicht angebracht. Der Kläger folgte dem Berechtigten über den Poller hinweg. Dabei kollidierte sein Pkw mit dem hochfahrenden Poller. Der Kläger verlangte vom sog. Verkehrssicherungspflichtigen der Anlage seinen Schaden ersetzt.

Das OLG: Eine reine Induktionsschleifensteuerung genügt nicht. Es muss mittels Schildern gewarnt und/oder mittels einer Ampel die Durchfahrt geregelt sein. Eine rein akustische Warnung genügt nicht, weil derjenige, der den Poller in seiner Überfahrtstellung im Boden gar nicht erkannt hat, diese Warnung nicht in Zusammenhang mit dem Poller bringt.

Quelle | OLG Stuttgart, Urteil vom 24.8.2022, 4 U 13/22

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Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht

Wettbewerb: Werbeaussage „klimaneutral“ muss nicht irreführend sein

Das Landgericht (LG) Kleve hat jetzt festgestellt, dass die Werbeaussage „klimaneutral“ nicht irreführend ist, wenn sie zum einen gegenüber einem Fachpublikum erfolgt und zum anderen die Einsparung durch bloße Kompensation geschieht.

Das war geschehen

Ein Unternehmen, die Beklagte, stellt Produkte aus Fruchtgummi und Lakritz für Endkunden her. Es warb in der Lebensmittel Zeitung mit der Aussage: „Seit 2021 produziert … alle Produkte klimaneutral.“ Das Ziel wird jedoch nicht durch Einsparung, sondern durch CO2-Kompensation erreicht. Die Klägerin hielt dies für wettbewerbswidrig. Begründung: Es fehle ein aufklärender Hinweis.

So sieht es das Landgericht

Dieser Ansicht folgte das LG Kleve nicht. Es wies die Klage daher ab. Entscheidend sei: Die Lebensmittel Zeitung richte sich überwiegend an ein Fachpublikum. Der Kläger habe sich zwar darauf berufen, die Lebensmittel Zeitung könne auch von Verbrauchern gelesen werden. Dies sei aber für den angesprochenen Verkehrskreis unerheblich. Denn die Lebensmittel Zeitung ist nicht auf Verbraucher ausgerichtet. Daher sei es auch nicht zu berücksichtigen, dass die von der Beklagten produzierten Endprodukte, die in Form einer teilweise abgebildeten Verpackungstüte in der Werbung wiedergegeben sind, zum Konsum durch den Endverbraucher bestimmt sind.

Auch inhaltlich sah das LG kein Fehlverhalten. Denn die o. g. Werbeaussage ist wahr. „Klimaneutral“ sei nicht identisch mit „emissionsfrei“. Klimaneutralität könne auch über Kompensation erreicht werden. Eine Täuschung über die Herstellung sei damit nicht verbunden. Denn dem von der Werbung angesprochenen Fachpublikum sei dies bekannt.

Werbung richtete sich nicht an den Endverbraucher

Der Anspruch besteht auch nicht im Hinblick auf das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (§ 5a Abs. 2 UWG) in der bis zum 27.5.2022 geltenden Fassung, denn die beanstandete Werbung richtet sich nicht an Verbraucher. Soweit die von der Beklagten produzierten Endprodukte, die in Form einer teilweise abgebildeten Verpackungstüte in der Werbung wiedergegeben sind, zum Konsum durch den Endverbraucher bestimmt sind, ist dies unerheblich, denn die beanstandete Werbeanzeige in der Lebensmittel Zeitung richtete sich nicht an den Endverbraucher, sondern an den Handel.

Quelle | LG Kleve, Urteil vom 22.6.2022, 8 O 44/21

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Gewerberaummiete: Kakerlaken im Bekleidungsgeschäft: 30 Prozent Mietminderung möglich

Tritt Ungeziefer wiederholt in einem Bekleidungsgeschäft auf, stellt dies einen erheblichen Mangel dar. Das kann zu einer Minderung von mindestens 30 Prozent führen. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe.

In den angemieteten Räumen beobachteten verschiedene Kunden immer wieder Kakerlaken, z. B. in einer Umkleidekabine oder einem Schrank. Das stellt einen Mangel der Mietsache dar, so das OLG. Es führte dazu aus, dass bei der Bemessung der Minderungsquote zu berücksichtigen sei, dass Kunden in Bekleidungsgeschäften nicht damit rechnen müssen, mit Ungeziefer konfrontiert zu werden. Dies wirke sich negativ auf den Ruf des Geschäfts aus, vor allem, wenn es sich – wie hier – in einer Kleinstadt befinde. So etwas spreche sich schnell herum. Außerdem seien Fraßschäden an den Bekleidungsgegenständen möglich.

Folge: Der wirtschaftliche Wert des Geschäfts sei um mindestens 30 Prozent gemindert. Das Argument des Vermieters, die Tiere hätten nicht in die Räume gelangen können, wären Fenster und Türen richtig verschlossen gewesen, hatte beim OLG keinen Erfolg.

Quelle | OLG Karlsruhe, Urteil vom 21.6.2022, 9 U 112/19

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Sonderregelung: Erleichterter Zugang zum Kurzarbeitergeld bis 31.12.2022 verlängert

Mit der Verordnung zur Änderung der Kurzarbeitergeldzugangsverordnung wurden die Zugangserleichterungen für den Bezug von Kurzarbeitergeld für weitere drei Monate bis zum 31.12.2022 verlängert.

Es reicht weiterhin aus, wenn mindestens 10 % der Beschäftigten von Arbeitsausfall betroffen sind. Sonst muss mindestens ein Drittel der Beschäftigten betroffen sein.

Beschäftigte müssen auch keine Minusstunden aufbauen, bevor Kurzarbeitergeld gezahlt werden kann.

Beachten Sie | Damit Sonderregelungen für das Kurzarbeitergeld weiterhin durch eine Verordnung erlassen werden können, hat der Bundestag die entsprechende Verordnungsermächtigung bis 30.6.2023 verlängert (Billigung durch Bundesrat am 7.10.2022). Damit können Zugangserleichterungen auch über den Jahreswechsel hinaus verlängert werden.

Quelle | BMAS vom 16.9.2022 „Erleichtertes Kurzarbeitergeld“; Deutscher Bundestag vom 29.9.2022 „Vereinfachter Zugang zum Kurzarbeitergeld wird verlängert“; BR-Drs. 475/22 (B) vom 7.10.2022; Verordnung zur Änderung der Kurzarbeitergeldzugangsverordnung, BGBl I 2022, S. 1507

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Bechnung der Verzugszinsen

Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten.

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Juli 2022 bis zum 31. Dezember 2022 beträgt -0,88 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).

Übersicht /  Basiszinssätze

Zeitraum Zinssatz
01.01.2022 bis 30.06.2022 -0,88 Prozent
01.07.2021 bis 31.12.2021 -0,88 Prozent
01.01.2021 bis 30.06.2021 -0,88 Prozent
01.07.2020 bis 31.12.2020 -0,88 Prozent
01.01.2020 bis 30.06.2020 -0,88 Prozent
01.07.2019 bis 31.12.2019 -0,88 Prozent
01.01.2019 bis 30.06.2019 -0,88 Prozent
01.07.2018 bis 31.12.2018 -0,88 Prozent
01.01.2018 bis 30.06.2018 -0,88 Prozent
01.07.2017 bis 31.12.2017 -0,88 Prozent
01.01.2017 bis 30.06.2017 -0,88 Prozent
01.07.2016 bis 31.12.2016 -0,88 Prozent
01.01.2016 bis 30.06.2016 -0,83 Prozent
01.07.2015 bis 31.12.2015 -0,83 Prozent
01.01.2015 bis 30.06.2015 -0,83 Prozent
01.07.2014 bis 31.12.2014 -0,73 Prozent
01.01.2014 bis 30.06.2014 -0,63 Prozent
01.07.2013 bis 31.12.2013 -0,38 Prozent
01.01.2013 bis 30.06.2013 -0,13 Prozent
01.07.2012 bis 31.12.2012 0,12 Prozent
01.01.2012 bis 30.06.2012 0,12 Prozent
01.07.2011 bis 31.12.2011 0,37 Prozent
01.01.2011 bis 30.06.2011 0,12 Prozent
01.07 2010 bis 31.12.2010 0,12 Prozent
01.01.2010 bis 30.06.2010 0,12 Prozent
01.07 2009 bis 31.12.2009 0,12 Prozent
01.01.2009 bis 30.06.2009 1,62 Prozent
01.07.2008 bis 31.12.2008 3,19 Prozent
01.01.2008 bis 30.06.2008 3,32 Prozent