September 2021

Arbeitsrecht

Nach Abmahnung: Fristlose Kündigung trotz „Rotzlappenbefreiung“ wirksam

Ein Servicetechniker hatte einen Mund-Nasen-Schutz nicht getragen, obwohl der Arbeitgeber dies angeordnet hatte. Das Arbeitsgericht (ArbG) Köln hat die außerordentliche Kündigung für wirksam befunden, die der Arbeitgeber nach erfolgloser Abmahnung ausgesprochen hatte.

Das war geschehen

Der Kläger war bei der beklagten Arbeitgeberin als Servicetechniker im Außendienst beschäftigt. Aufgrund der Pandemie wies der Beklagte alle Servicetechniker an, bei Kundenkontakt eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Anfang Dezember 2020 weigerte sich der Kläger, einen Serviceauftrag bei einem Kunden durchzuführen, der auf das Tragen einer Maske bestand.

Der Kläger reichte bei der Arbeitgeberin ein auf Blankopapier ausgestelltes ärztliches Attest unter dem Betreff „Rotzlappenbefreiung“ ein. Dort heißt es, dass es für den Kläger „aus medizinischen Gründen unzumutbar ist, eine nicht-medizinische Alltagsmaske oder eine vergleichbare Mund-Nasen-Bedeckung im Sinne der SARS-COV-2 Eindämmungsmaßnahmenverordnung zu tragen“. Daraufhin erteilte die Arbeitgeberin dem Kläger die Weisung, eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Sie erkenne das Attest mangels konkreter nachvollziehbarer Angaben nicht an, werde aber die Kosten für den medizinischen Mund-Nasen-Schutz übernehmen.

Der Kläger lehnte den Serviceauftrag weiter ab. Die Arbeitgeberin mahnte ihn zunächst ab. Unbeeindruckt teilte der Kläger mit, er werde den Einsatz auch künftig nur durchführen, wenn er keine Maske tragen müsse. Daraufhin kündigte die Arbeitgeberin ihm.

Die Argumente des Arbeitsgerichts

Das ArbG Köln hat dessen Kündigungsschutzklage abgewiesen. Mit seiner beharrlichen Weigerung, den angeordneten und vom Kunden verlangten Mund-Nasen-Schutz zu tragen, habe der Kläger wiederholt gegen seine arbeitsvertraglichen Verpflichtungen verstoßen.

Das Attest rechtfertige das Verhalten des Klägers nicht: Denn zum einen sei das Attest nicht aktuell gewesen. Zum anderen sei es ohne konkrete Diagnose eines Krankheitsbilds nicht aussagekräftig, um zu rechtfertigen, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen von der Maskenpflicht befreit sei.

Schließlich bestünden Zweifel an der Ernsthaftigkeit der vom Kläger behaupteten medizinischen Einschränkungen. Denn er habe den Mund-Nasen-Schutz als „Rotzlappen“ bezeichnet und sei dem Angebot einer betriebsärztlichen Untersuchung nicht nachgekommen.

Gegen das Urteil ist die Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) Köln möglich.

Quelle | ArbG Köln, Urteil vom 17.6.2021, 12 Ca 450/21, PM 3/21

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Antrag auf Teilzeitbeschäftigung: Teilzeitanspruch kann während der Elternzeit mittels einstweiliger Verfügung durchgesetzt werden

Arbeitnehmer können ihren Anspruch auf Teilzeit während der Elternzeit mit dem Erlass einer einstweiligen Verfügung sichern. So sieht es das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln.

Das war geschehen

Die Klägerin befand sich nach der Geburt ihres Kindes seit dem 20.6.2020 in Elternzeit, die am 24.4.2022 enden soll. Sie beantragte am 19.2.2021 ab dem 1.5.2021 ihre Teilzeitbeschäftigung in Elternzeit bis zum 24.4.2022 im Umfang von 30 Wochenstunden. Diesen Antrag lehnte die Beklagte ab. Begründung: Es fehle an Beschäftigungsmöglichkeiten.

So sah es das Landesarbeitsgericht

Das LAG gab dem Antrag statt: Die Klägerin habe die Voraussetzungen für den Anspruch glaubhaft gemacht, die Arbeitszeit während der Elternzeit zu verringern. Der Arbeitgeber könne zwar dem Anspruch entgegentreten, etwa durch den Hinweis auf dringende betriebliche Gründe. Diese muss er aber ebenfalls glaubhaft machen.

Dafür genüge es nicht, bloß zu behaupten, es bestehe keine Beschäftigungsmöglichkeit. Es seien vielmehr die zugrunde liegenden Tatsachen zu bezeichnen.

Das LAG sah auch einen sog. Verfügungsgrund als gegeben an. Regelmäßig komme als Verfügungsgrund nur ein konkretes ideelles Interesse des Arbeitnehmers an seiner Beschäftigung in Betracht. Dieses habe die Klägerin vorliegend glaubhaft gemacht. Sie müsse bei weiterer Abwesenheit befürchten, dass andere Arbeitnehmer – und nicht sie – gefördert würden. Sie könne auf das „Abstellgleis“ geraten.

Seien die Voraussetzungen einer einstweiligen Verfügung gegeben, müsse der Arbeitgeber den Arbeitnehmer mit der von ihm angestrebten Stundenzahl beschäftigen. Eine zeitliche Begrenzung der Beschäftigung, z. B. „bis zur Entscheidung des Arbeitsgerichts in der Hauptsache“ sei nicht vorzunehmen.

Gegen die Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben.

Quelle | LAG Köln, Beschluss vom 4.6.2021, 5 Ta 71/21, PM 5/21

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Krankmeldung: AU-Daten: Elektronische Weiterleitung an Arbeitgeber verschoben

Ein elektronisches Meldeverfahren soll den „gelben Schein“ ersetzen und Arbeitgeber sowie Arbeitnehmer entlasten. Der ursprünglich geplante Start wurde jedoch zwischenzeitlich vom 1.1.22 auf den 1.7.22 verschoben. Bis dahin benötigen Arbeitgeber also weiterhin die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) von ihren Arbeitnehmern in Papierform.

Die elektronische AU (eAU) soll in zwei Schritten eingeführt werden: Zunächst sollen Ärzte die AU elektronisch an die Krankenkasse übermitteln. In einem zweiten Schritt leitet die Krankenkasse die eAU an den Arbeitgeber weiter.

Quelle | Information des Spitzenverbands der gesetzlichen Krankenkassen (GKV), abrufbar unter www.iww.de/s5270

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Lieferdienst: Fahrradlieferant kann von Arbeitgeber verlangen, dass ihm Fahrrad und Smartphone zur Verfügung gestellt werden

Das Hessische Landesarbeitsgericht (LAG) hat über die Klage eines Fahrradkuriers eines Lieferdienstes entschieden. Der Auslieferer, der Bestellungen von Essen und Getränken bei Restaurants abholt und zu den Kunden bringt, hat gefordert, dass ihm für seine Tätigkeit ein Fahrrad und ein Smartphone zur Verfügung gestellt wird. Er sei nicht verpflichtet, sein eigenes Fahrrad und sein eigenes Smartphone einschließlich des erforderlichen Datenvolumens für die Internetnutzung zu verwenden, wenn er arbeite.

Der Kläger hatte mit seiner Klage Erfolg, ebenso ein Kollege, der vom Lieferdienst nur verlangte, ihm für die Auslieferungen ein Smartphone zu stellen.

Beide Fahrradlieferanten sind Arbeitnehmer des Lieferdienstes. In ihren Arbeitsverträgen ist bestimmt, dass sie während der Einsätze Ausstattung („Equipment“) des Lieferdienstes benutzen, wofür ein Pfand von 100 Euro einbehalten wird, wie in einem separaten Vertrag geregelt. Zu diesem Equipment gehören weder das Fahrrad noch ein Smartphone. Ein Smartphone ist notwendig, weil die App des Lieferdienstes verwendet werden muss. Die Fahrer sind nach dem Arbeitsvertrag verpflichtet, nur auf Fahrrädern in verkehrstauglichem Zustand zu fahren. Außerdem können sie – was nicht im Arbeitsvertrag geregelt wurde – je gearbeiteter Stunde ein Guthaben von 0,25 Euro für Fahrradreparaturen bei einem Vertragspartner ihres Arbeitgebers abrufen.

Das LAG hat den Fahrradlieferanten im Berufungsverfahren Recht gegeben. Die Klagen waren von dem Arbeitsgericht (ArbG) Frankfurt am Main in erster Instanz abgewiesen worden.

Die Arbeitsverträge der Fahrradlieferanten seien als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu überprüfen. Die Regelung, dass Fahrrad und Smartphone ohne finanziellen Ausgleich selbst mitgebracht werden müssten, benachteilige nach der konkreten Vertragsgestaltung die Lieferfahrer unangemessen. Betriebsmittel und deren Kosten seien nach der gesetzlichen Wertung vom Arbeitgeber zu stellen. Er trage auch das Risiko, wenn diese nicht einsatzfähig seien. Damit müsse der Lieferdienst Fahrrad bzw. Smartphone zur Verfügung stellen.

Die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) ist zugelassen worden. Die Urteile sind noch nicht rechtskräftig.

Quelle | LAG Hessen, Urteil vom 12.3.2021, 14 Sa 306/20, PM vom 24.6.2021

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Baurecht

Formerfordernis: Muss Durchführungsvertrag notariell beurkundet werden?

Oft wird ein beurkundungsbedürftiges Grundstücksgeschäft unter der Bedingung des Zustandekommens oder des Fortbestands eines anderen Rechtsgeschäfts vorgenommen. Doch rechtfertigt dies für sich genommen die Annahme, dass die Rechtsgeschäfte nach dem Willen der Parteien eine Einheit bilden und daher beide beurkundungsbedürftig sind? Nein – sagt der Bundesgerichtshof (BGH).

Begleitend zu einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan schlossen eine Gemeinde und ein Vorhabenträger einen notariellen Vertrag. Darin verpflichtete sich Letzerer, der Gemeinde zwei Teilflächen eines näher bezeichneten und noch zu vermessenden Grundstücks zu übertragen. Die Besonderheit: Die Parteien schlossen den Vertrag „aufschiebend bedingt“. Er sollte erst mit „Rechtskraft“ des vorhabenbezogenen Bebauungsplans sowie mit „Rechtskraft“ des Durchführungsvertrags zu diesem Bebauungsplan wirksam werden.

Den Durchführungsvertrag schlossen die Parteien ohne notarielle Beurkundung. Er regelt u. a. Näheres zur Erschließung, Planung, Vermessung und zur Herstellung der Infrastruktur im Plangebiet. Zeitgleich beschloss der Gemeinderat den vorhabenbezogenen Bebauungsplan.

Der Vorhabenträger übertrug die Grundstücke jedoch nicht. Die Gemeinde verlangte, die Grundstücke herauszugeben und zu übereignen. Sie hatte vor dem BGH Erfolg. Der BGH betont: Hier lag keine Geschäftseinheit vor. Diese ist nur gegeben, wenn Teile des anderen Rechtsgeschäfts Inhalt des Grundstücksgeschäfts sein sollen.

Ein notarieller Vertrag, durch den sich jemand verpflichtet, ein Grundstück an eine Gemeinde zu übereignen, ist daher nicht deshalb formunwirksam, weil er unter der (beurkundeten) aufschiebenden Bedingung der Wirksamkeit eines nicht beurkundeten Durchführungsvertrags steht.

Quelle | BGH, Urteil vom 29.1.2021, V ZR 139/19

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Öffentliche Aufträge: Wann muss erforderliches Personal zur Verfügung stehen?

Einem Bieter müssen die zur Leistungserbringung erforderlichen Mittel nicht bereits im Zeitpunkt der Angebotsabgabe oder bei Zuschlagserteilung zur Verfügung stehen. Behält sich der öffentliche Auftraggeber keinen anderen Zeitpunkt vor, muss der Bieter erst zum Zeitpunkt der Leistungserbringung über die eignungsrelevanten Mittel verfügen und das benötigte Personal einstellen. So hat es jetzt das Bayerische Oberlandesgericht (BayObLG) entschieden.

Das BayObLG wörtlich: Dies gilt namentlich für Personal, das erst auf der Grundlage des erteilten Auftrags für den Bieter erforderlich wird und arbeitsvertraglich gebunden werden muss. Denn es ist keinem Bieter zumutbar, weitreichende Personaldispositionen auf die bloße Vermutung eines Zuschlags zu treffen.

Quelle | BayObLG, Beschluss vom 9.4.2021, Verg 3/21

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Familien- und Erbrecht

Teilweiser Sorgerechtsentzug: Eltern verweigern ihren Kindern beharrlich den Besuch staatlich anerkannter Schulen

Eltern kann das Sorgerecht für ihre Kinder teilweise für den Bereich schulischer Angelegenheiten entzogen werden, wenn sie sich der Beschulung ihrer Kinder auf einer staatlich anerkannten Schule beharrlich verweigern und für ihre Kinder deshalb die Gefahr besteht, weder das erforderliche Wissen noch die erforderlichen Sozialkompetenzen erlernen zu können. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle entschieden.

Sachverhalt und Verfahrensgang

Die Eltern von sieben Kindern gehören einer freikirchlichen Gemeinde an. Sie sehen sich aufgrund ihres Glaubens verpflichtet, ihre Kinder von Einflüssen fernzuhalten, die den Geboten Gottes zuwiderlaufen. Die Mutter der Kinder beschult deshalb ihre beiden ältesten Kinder (8 und 7 Jahre alt) nach dem Konzept einer „Freien Christlichen Schule“ zu Hause.

Die Landesschulbehörde hatte 2019 einen Antrag abgelehnt, die Kinder von der Schulpflicht zu befreien. Die Entscheidung eines Verwaltungsgerichts steht insoweit noch aus. Der Vater der Kinder wurde bereits in 15 Verfahren zu Bußgeldern verurteilt, weil er gegen die Schulpflicht verstoßen hatte.

Das Amtsgericht (AG) hatte keine familiengerichtlichen Maßnahmen ergriffen. Denn die Kinder wiesen weder Defizite beim Wissensstand auf noch seien solche in den Sozialkompetenzen zu erkennen.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts

Dem ist das OLG nicht gefolgt. Es hat den Eltern das Recht zur Regelung schulischer Angelegenheiten entzogen. Darüber hinaus hat es das Jugendamt als sog. Ergänzungspfleger bestellt. So kann dieses nun statt der Eltern die Entscheidungen im Hinblick auf den Schulbesuch treffen. Das Jugendamt kann notfalls sogar erzwingen, dass die Kinder für den Schulbesuch herausgegeben werden.

In Fällen, in denen das Wohl eines Kindes gefährdet ist und die Eltern nicht gewillt oder in der Lage sind, diese Gefahr abzuwenden, muss das Familiengericht die zur Abwendung der Gefahr erforderlichen Maßnahmen treffen. Das hat das OLG hier gesehen: Denn den Eltern gelinge nicht, die Kinder ausreichend mit Wissen zu versorgen und sie so auf spätere Prüfungen und die Berufsausbildung vorzubereiten. Sie konnten nicht einmal das Konzept ihrer Beschulung nachvollziehbar beschreiben. Des Weiteren unterrichtet die Mutter die Kinder nur wenige Stunden am Tag und dies überwiegend auch neben der Betreuung der weiteren fünf Geschwister. Zwar erhalte sie von einer „Freien Christlichen Schule“ eine gewisse Unterstützung. Die Kinder wären aber höchstwahrscheinlich so nicht in der Lage, einen staatlich anerkannten Schulabschluss zu erwerben.

Soziale Kompetenzen

Das OLG betont: Die Kinder können so keine sozialen Kompetenzen erwerben, die es ihnen ermöglichten, sich mit andersgläubigen Menschen auseinanderzusetzen und sich in einer Umgebung durchzusetzen und zu integrieren, in der die Mehrheit der Menschen nicht entsprechend den Glaubensvorstellungen der Familie leben. Denn sie wachsen ohne jeden Kontakt mit gleichaltrigen Kindern außerhalb ihrer Gemeinde auf. Zugang zu Computern oder Fernsehen fehle. Damit können sie auch nicht indirekt am sozialen Leben außerhalb der Gemeinde teilnehmen.

Glaubensfreiheit vs. Schutzbedürfnis

Das OLG hat bei seiner Entscheidung die grundgesetzlich verbürgte Glaubensfreiheit und das Erziehungsrecht berücksichtigt. Es erkennt die Aufgabe und das Recht der Eltern an, ihren Kindern Überzeugungen in Glaubens- und Weltanschauungsfragen zu vermitteln und nicht geteilte Ansichten von ihnen fernzuhalten. Dennoch sei seine Entscheidung erforderlich und verhältnismäßig, um die Kinder zu schützen. Zwar werden die Kinder bei einem Schulbesuch u. a. mit der Evolutionstheorie, der Sexualkunde und der Gleichberechtigung von Mann und Frau konfrontiert, was die Eltern hier im Hinblick auf ihre Glaubensüberzeugungen verhindern wollen. Allein durch die Behandlung dieser Unterrichtsstoffe sind die Eltern aber nicht daran gehindert, ihre Kinder in Glaubensfragen nach eigenen Vorstellungen zu erziehen.

Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 2.6.2021, 21 UF 205/20, PM vom 25.6.2021

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Umgangsrecht: Auch für Großeltern gilt: Das Kindeswohl ist immer im Blick

Der Gesetzgeber hat mit dem Kindschaftsrechtsreformgesetz 1998 ein eigenes Umgangsrecht der Großeltern geschaffen, das sie gegebenenfalls auch gegen den Willen der Kindeseltern durchsetzen können. Voraussetzung: Der Umgang dient dem Kindeswohl. Denn allein durch die Verwandtschaft der Großeltern wird ein solches Recht nicht begründet. In einem Konfliktfall muss das Familiengericht dann entscheiden, ob der begehrte Umgang dem Kindeswohl entspricht – wie aktuell in einem Fall des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig.

Ausgangspunkt

Großeltern sind oft an Erziehung und Förderung ihrer Enkelkinder beteiligt. Sie unterstützen die Eltern z. B. bei der Betreuung. Oder sie ermöglichen den Kindern, ihre Wurzeln kennenzulernen und erzählen von ihrer individuellen Lebensgeschichte oder ihren Erfahrungen. Es entstehen über die mit den Eltern und Geschwistern bestehenden Bindungen hinaus viele schützenswerte Sozialbeziehungen.

Das war geschehen

Die Großeltern väterlicherseits forderten von den getrenntlebenden Eltern, einen regelmäßigen Wochenend- und Ferienumgang zuzulassen. Der Vater befürwortete dies zusätzlich zu seinem eigenen Umgang mit den Kindern. Die Mutter sprach sich jedoch dagegen aus. Sie begründete dies u. a. damit, dass die Beziehung zwischen den Großeltern und ihr sehr stark belastet sei.

Die Bewertung des Oberlandesgerichts

Das OLG lehnte ein eigenes Umgangsrecht der Großeltern ab. Es sah Folgendes: Das Verhältnis der Großeltern zu der Mutter war tiefgreifend zerrüttet. Es konnte daher einen Umgang nicht zulassen. Schon der Bundesgerichtshof (BGH) hatte klargestellt: Der Umgang mit den Großeltern dient nicht dem Wohl des Kindes, wenn die Eltern und die Großeltern so zerstritten sind, dass das Kind bei einem Umgang in einen Loyalitätskonflikt gerate oder konkrete Anhaltspunkte dafür beständen, dass die Großeltern den Erziehungsvorrang der Eltern missachteten.

So war es auch hier: Die Großeltern hätten sich wiederholt abwertend über die Mutter und ihre Biografie geäußert. Damit nicht genug, hatten sie auch ihre Erziehungseignung infrage gestellt. Ein berechtigter Anlass hatte jedoch nicht bestanden. Die Großeltern hatten etwa die Herkunft der Familie der Mutter aus dem Osten und den Beruf der Großmutter mütterlicherseits als Reinigungskraft thematisiert. Sie selbst waren Akademiker und ein gut situiertes Ehepaar und hielten sich daher als besser geeignet zur Förderung der Kinder. Der o. g. Loyalitätskonflikt war zu befürchten.

Die Großeltern hatten im Verfahren eine offenkundig feindselige Haltung gegenüber der Mutter gezeigt. Diese Haltung zielte darauf ab, die Geeignetheit der Mutter zur Erziehung zu entwerten.

Quelle | OLG Braunschweig, Beschluss vom 30.6.2021, 2 UF 47/21, PM vom 7.7.2021

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Erbrecht: Grabpflegekosten sind keine Nachlassverbindlichkeiten

Eine in einer letztwilligen Verfügung, z. B. einem Testament, enthaltene Auflage des Erblassers an die Erben zur Grabpflege führt nicht zu einer Kürzung eines Pflichtteilsanspruchs. So sagt es der Bundesgerichtshof (BGH).

Grundsätzlich trägt der Erbe die Kosten der Beerdigung des Erblassers. Hiervon erfasst werden aber nur die eigentlichen Kosten der Beerdigung, also des Bestattungsaktes selbst, der seinen Abschluss mit der Errichtung einer zur Dauereinrichtung bestimmten und geeigneten Grabstätte findet.

Quelle | BGH, Urteil vom 26.5.2021, IV ZR 174/20

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Mietrecht und WEG

Eigenbedarfskündigung: Schutz alter und verwurzelter Mieter

Das Landgericht (LG) Berlin hat jetzt entschieden: Mieter können vom Vermieter unter Berufung auf ihr hohes Lebensalter und ihre langjährige und tiefe Verwurzelung am Ort der Mietsache die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen.

Das war geschehen

Mieter und Vermieter stritten darüber, ob die 89jährige beklagte Mieterin die 1997 von den Rechtsvorgängern der klagenden Vermieterin gemietete Wohnung räumen musste. Die Klägerin hatte bereits mehrfach das Mietverhältnis wegen Eigenbedarfs gekündigt. Die Beklagte und ihr mittlerweile verstorbener Ehemann widersprachen den Kündigungen jeweils. Sie verwiesen auf ihr hohes Alter, ihren schlechten Gesundheitszustand, ihre langjährige Verwurzelung am Ort der Mietsache und ihre begrenzten Mittel, sich Ersatzwohnraum zu beschaffen.

So ging es durch die Instanzen

Das Amtsgericht (AG) hatte die Räumungsklage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte zunächst keinen Erfolg. Denn das LG Berlin meinte, der Beklagten stehe allein aufgrund ihres hohen Lebensalters ein Anspruch auf eine zeitlich unbestimmte Fortsetzung des Mietverhältnisses zu.

Das hatte der Bundesgerichtshof (BGH) jedoch anders gesehen: Allein das hohe Alter eines Mieters ohne weitere Feststellungen zu den sich hieraus ergebenden Folgen stellten für Mieter noch keine Härte dar. Zudem sei eine „tiefe Verwurzelung“ am Ort der Mietwohnung von der individuellen Lebensführung des jeweiligen Mieters abhängig.

Das entschied nun das LG

Die Sache ging also zurück zum LG. Dieses wies die Berufung der Klägerin jetzt erneut zurück. Es sei unerheblich, ob die gesundheitlichen Beeinträchtigungen tatsächlich derartig erheblich sind, wie vom AG angenommen. Denn Mieter könnten sich im Einzelfall auch ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen berechtigt auf eine Fortsetzung des Mietverhältnisses berufen, zum Beispiel, wenn sie sich zum Zeitpunkt des Wohnungsverlustes bereits in einem hohen Lebensalter befänden und zudem wegen eines langjährigen Mietverhältnisses tief am Ort der Mietsache verwurzelt seien.

Diese Voraussetzungen hat das LG nach erneuter Tatsachenfeststellung bejaht. Die Folgen des Wohnungsverlustes seien für die Beklagte so gravierend, dass sie auf eine Verletzung ihrer grundgesetzlich garantierten Menschenwürde hinausliefen.

Die Interessen der Vermieterin müssten dahinter zurückstehen. Anderes könne nur gelten, wenn der Vermieter besonders gewichtige persönliche oder wirtschaftliche Nachteile für den Fall des Fortbestands des Mietverhältnisses geltend mache, die zumindest gleichrangig mit den Interessen des betagten und an seinem Wohnort tief verwurzelten Mieters seien. Ein solches hohes Erlangungsinteresse konnte die Klägerin aber nicht geltend machen. Denn die von ihr beabsichtigte Eigennutzung der Wohnung war nur auf bloßen Komfortzuwachs gerichtet und darauf, unerhebliche wirtschaftliche Nachteile zu vermeiden.

Quelle | LG Berlin, Urteil vom 25.5.2021, 67 S 345/18, PM 24/21 vom 27.5.2021

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Verbraucherrecht

Haftung: Im Stadion gestolpert? Schadenersatz möglich!

Wer einen Verkaufsstand betreibt, muss zum einen dafür sorgen, dass quer durch einen Fußgängerbereich verlegte Stromkabel nicht zu einer Stolperfalle werden. Zum anderen muss er verhindern, dass Sicherungsmaßnahmen (z. B. Abdeckmatten) keine neuen Stolperfallen begründen, weil diese im Randbereich wellig sind bzw. vom Boden abstehen und von in dichtem Gedränge aus den aus einem großen Fußballstadion strömenden Zuschauern kaum wahrzunehmen sind. Hierauf hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm jetzt hingewiesen.

Das war geschehen

Die Beklagte betrieb in einem großen Fußballstadion anlässlich eines Bundesligaspiels Verkaufsstände. Der Kläger besuchte das Fußballspiel. Nach dem Abpfiff stürzte er, als er an einem der Verkaufsstände der Beklagten vorbeikam, auf der Höhe einer von dieser verlegten Kabelmatte. Mit dieser Matte wurden Elektrokabel überdeckt. Ob der Kläger über die Gummimatte oder nur in deren Nähe gestürzt war, ist zwischen den Parteien umstritten.

Der Kläger erlitt Wunden im Gesicht. Deutliche Narben in der unteren Gesichtshälfte sind davon zurückgeblieben. Er verlangt Schmerzensgeld und Schadenersatz von fast 10.000 Euro.

So sah es die erste Instanz

Das Landgericht (LG) Dortmund hatte dem Kläger zwar einerseits in erster Instanz Schmerzensgeld und Schadenersatz zugesprochen, diesen Anspruch aber andererseits um 1/3 gekürzt. Die Gummimatte habe sich nämlich aufgrund von Rissen und Wellen in einem derart schlechten Zustand befunden, dass sie nicht mehr hätte verwendet werden dürfen. Es müsse zudem davon ausgegangen werden, dass der Kläger über die Gummimatte – und nicht etwa davor oder dahinter – gestürzt sei. Der Kläger habe aber durch seine Nachlässigkeit zu seinem Sturz beigetragen, weshalb er sich ein Mitverschulden von 1/3 anrechnen lassen müsse. Denn er habe erkennen können, dass an der Stelle eine Gummimatte gelegen habe.

Das sagt das Oberlandesgericht

Ihre Berufung hat die Standbetreiberin wieder zurückgenommen. Denn das OLG hatte deutlich auf die fehlenden Erfolgsaussichten der Berufung hingewiesen: Es habe die Pflicht bestanden, das Stromkabel durch geeignete Maßnahmen abzusichern, weil es eine Stolperfalle dargestellt habe. Hierzu sei eine Gummimatte auch grundsätzlich geeignet. Aber: Hier habe die Matte im Randbereich nicht flach auf dem Boden gelegen. Dadurch habe das Risiko bestanden, dass die Stadionbesucher – u. U. gedanklich noch mit dem Fußballereignis beschäftigt – zwar die Matte als solche, aber nicht deren welligen Randbereich so rechtzeitig haben erkennen können, um dort nicht zu stürzen.

Der Sturz des Klägers habe seinen Ausgang an der Gummimatte genommen. Andere Sturzursachen seien nicht ersichtlich. Die Matte habe sogar eine neue Gefahrenquelle geschaffen. Der Beklagten sei es nicht gelungen, die ordnungsgemäße Verlegung der Gummimatte nicht nur zu Beginn des Fußballspiels, sondern während des gesamten Zeitraums, in dem sich Zuschauer im Stadion aufhielten, zu gewährleisten. Dies hätte nur durch stabile, sich nicht verformende und bewegende Matten oder ggf. durch ein Abkleben der Ränder erreicht werden können. Das dem Kläger vorzuwerfende Mitverschulden habe das LG mit 1/3 richtig angesetzt.

Quelle | OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 7.5.2021, 7 U 27/20, PM vom 17.6.2021

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Corona-Pandemie: Stornierung von Hotelzimmern: hälftige Kostenteilung

Müssen vor Ausbruch der Covid19-Pandemie gebuchte Hotelzimmer pandemiebedingt storniert werden, kann dies eine hälftige Teilung der Buchungskosten rechtfertigen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Köln entschieden.

Geklagt hatte die deutsche Vertriebsgesellschaft eines taiwanesischen Fitnesskonzerns. Sie wollte mit ihren Mitarbeitern aus Taiwan an einer für April 2020 geplanten Messe teilnehmen. Aus diesem Grund hatte sie bei der beklagten Hotelkette Zimmer gebucht. Sie zahlte die anfallenden Kosten vollständig im Voraus. Als die Messe im Februar 2020 pandemiebedingt abgesagt wurde, stornierte die Klägerin Anfang März alle Zimmer. Die Hotelkette zahlte nur zehn Prozent der Anzahlung und hielt den Rest als sog. Servicegebühr ein. Dabei berief sie sich auf die vertragliche Vereinbarung der Parteien. Die Klägerin begehrt, auch den Restbetrag zurückgezahlt zu bekommen. Beim Landgericht (LG) Köln hatte sie damit keinen Erfolg.

Ihre Berufung brachte ihr aber zumindest einen Teilerfolg. Das OLG sah einen Anspruch auf hälftige Teilung der Buchungskosten. Die Messe sei pandemiebedingt abgesagt worden. Der Klägerin sei daher ein unverändertes Festhalten am Vertrag unzumutbar geworden. Beide Parteien hätten sich bei Abschluss des Vertrags nicht vorgestellt, dass es zu einer weltweiten Pandemie mit weitgehender Stilllegung des öffentlichen Lebens kommen werde. Diese Vorstellung sei Vertragsgrundlage geworden.

Die dann pandemiebedingten weitreichenden staatlichen Eingriffe in das wirtschaftliche und soziale Leben änderten die für die Vertragsabwicklung vorgestellten Umstände gravierend. Sowohl die Absage der Messe als auch die späteren Beherbergungsverbote beruhten ebenfalls auf der Pandemie. Dem OLG erschien es daher auch nicht gerecht, die Kostentragung vom zufälligen Umstand abhängig zu machen, dass die Klägerin den Vertrag bereits storniert hatte, bevor die Leistung für die Beklagte durch den zwischenzeitlichen Ausspruch eines Beherbergungsverbots in Köln unmöglich werden konnte. Das durch die Corona-Pandemie verwirklichte Risiko der Absage der Messe gehe über das gewöhnliche Verwendungsrisiko des Nachfragers deutlich hinaus. Es stehe außerdem in gleichem Maß außerhalb des Risikobereichs von Anbieter und Nachfrager. Dass die Klägerin dieses Risiko allein trage, sei ihr nicht zuzumuten.

Das OLG hat die Revision nicht zugelassen.

Quelle | OLG Köln, Urteil vom 14.5.2021, 1 U 9/21, PM vom 15.6.2021

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Verkehrssicherungsplicht: Keine Haftung für Sturz auf Treppe zum Watt

Auf die typischen Gefahren des Meeresstrandes müssen sich Badegäste einstellen. An die Rutschfestigkeit außendeichs am Meer gelegener Badetreppen sind deshalb nicht die gleichen Anforderungen zu stellen, die für Treppen in Sport- und Arbeitsstätten gelten. So sieht es das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG).

Treppensturz mit Folgen

Die Klägerin beanspruchte Schadenersatz wegen eines Sturzes auf einer Treppe der „Familienlagune Perlebucht“ in Büsum. Dabei handelt es sich um eine lagunenartig angelegte künstliche Aufschüttung mit zwei Innenbecken, von deren Außenbereich mehrere Treppen je nach Tidenhub ins Watt bzw. in die Nordsee führen. Hier war u. a. eine breite Treppenanlage errichtet mit in der Mitte geführtem doppelten Handlauf und einem Mittelpodest. Die Klägerin stürzte bei der Benutzung einer der Treppen, als sie die erste im Wasser befindliche Stufe erreichte. Durch den Sturz erlitt sie einen Oberschenkeltrümmerbruch oberhalb des Gelenkkopfes und musste am Folgetag operiert werden. Den Sturz führte die Klägerin darauf zurück, dass sie aufgrund des zu glatten Materials der Stufen sowie erheblicher Moos- und Materialablagerungen ausgerutscht sei. Das Landgericht (LG) Itzehoe hat die Klage abgewiesen.

Nachdem das Schleswig-Holsteinische OLG die Klägerin Anfang Juni diesen Jahres darauf hingewiesen hatte, dass ihre gegen die Abweisung der Klage gerichtete Berufung keine Aussicht auf Erfolg habe, nahm die Klägerin die Berufung zurück.

Es müssen nicht alle Gefahren beseitigt werden

Der Verkehrssicherungspflichtige muss nicht allen denkbaren Gefahren vorbeugen, sondern es kann Schutz nur vor solchen Gefahren verlangt werden, die über das übliche Risiko bei der Anlagenbenutzung hinausgehen und vom Benutzer nicht vorhersehbar und nicht ohne Weiteres erkennbar sind. Treppen mit Betonstufen an Badestellen am Wattenmeer können üblicherweise durch Ablagerungen von Schwebstoffen schon innerhalb einer einzigen Tide rutschig werden. Aus diesem Grund sind diese Treppen im Regelfall während der Badesaison – wie auch hier – mit Handläufen versehen.

Nutzer haben Eigenverantwortung

Für die Nutzer der Badestellen ist offenkundig, dass mit typischen Gefahren des Meeresstrandes, also Sturzgefahr durch Schlick, Schafskot, Treibgut, Meerestiere, Wellen und Strömungen zu rechnen ist. Diesen Gefahren können die Nutzer eigenverantwortlich begegnen, indem sie die Treppen vorsichtig benutzen und sich am Handlauf festhalten. Über die Errichtung eines Handlaufs und die Verwendung geeigneten Betonmaterials, gegen das hier nichts einzuwenden war, sind keine zusätzlichen Sicherungen gegen das Ausrutschen angezeigt. Regelungen, die Bodenbeläge in Barfußbereichen in Bädern, Krankenhäusern oder Umkleide-, Wasch- und Duschräumen von Sport und Arbeitsstätten betreffen, gelten nicht für außendeichs gelegene Treppenanlagen im Watt, die dem dauerhaften Einfluss der Gezeiten, starkem Wellenschlag, Eisgang, Frost und Schlickablagerungen ausgesetzt sind.

Quelle | Schleswig-Holsteinisches OLG, Beschluss vom 2.6.2021, 11 U 31/21, PM 6/21

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Verwahrentgelte: Negativzinsen sind zulässig

Die Regelungen über Negativzinsen oder Verwahrentgelte stellen Preisnebenabreden dar, die als solche nicht kontrollfähig sind. Das ist jedenfalls die Auffassung des Landgerichts (LG) Leipzig, das eine Klage der Verbraucherzentrale Sachsen gegen eine Sparkasse abgewiesen hat.

Die Sparkasse hatte das Verwahrentgelt nur bei einem Kontowechsel erhoben und die Regelung in eine Anlage “Verwahrentgelt Girokonto“ zum Kontovertrag übernommen und sich unterzeichnen lassen. Damit ist der Streit aber noch nicht zu Ende. Die Verbraucherzentrale hat umgehend die Berufung angekündigt. Es ist zu erwarten, dass der BGH die Frage abschließend wird entscheiden müssen.

Es sind gegen verschiedene weitere Banken entsprechende Klagen anhängig. Sollte der BGH die Verwahrentgelte oder Negativzinsen letztlich für unzulässig halten, müssten die Banken diese zurückzahlen. Anders als das LG Leipzig hatte bereits das LG Tübingen entschieden.

Quelle | LG Leipzig, Urteil vom 8.7.2021, 5 O 640/20; LG Tübingen, Urteil vom 25.5.2018, 4 O 225/17

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Urkundenfälschung: Beweislast zur Verwirkung des Makleranspruchs

Die Beweislast für die Fälschung einer Urkunde, aus der sich eine Verwirkung des Makleranspruchs ergeben soll, liegt nach den allgemeinen Grundsätzen bei dem, der sich auf die Verwirkung beruft, also dem Maklerkunden. So sieht es das Oberlandesgericht (OLG) Hamm.

Werden Unterschriften gefälscht, liegt darin eine schwerwiegende Treupflichtverletzung, die zur Verwirkung des Anspruchs führt. Hier hatten die Käufer behauptet, dass ihre Unterschrift auf der Reservierungsvereinbarung gefälscht worden sei. Allerdings konnte sich das Gericht auch nach Einholen eines Sachverständigengutachtens hiervon nicht mit hinreichender Sicherheit überzeugen. Eine leicht überwiegende Wahrscheinlichkeit genügte dazu nicht.

Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 29.3.2021, 18 U 18/20

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Verkehrsrecht

Geschwindigkeitsüberschreitung: Messgerät LEIVTEC XV3 nicht immer zuverlässig genug

Nach einer aktuellen Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Celle können Messergebnisse des Geräts LEIVTEC XV3 in Bußgeldverfahren derzeit nicht mehr ohne Weiteres zugrunde gelegt werden.

Geschwindigkeitsmessungen von Kraftfahrzeugen werden vor Gericht immer wieder als fehlerträchtig angegriffen. Dabei sind die Messgeräte im Zulassungsverfahren einer strengen technischen Prüfung unterworfen. Besteht ein Gerät diese Prüfung, bietet es bei Einhaltung der vorgegebenen Bedienvorschriften i.d.R. die hinreichende Gewähr für die Richtigkeit der erzielten Messergebnisse. Messungen können dann als sog. standardisierte Messverfahren in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren ohne weitere Überprüfungen zugrunde gelegt werden. Gibt es trotz Einhaltung der Bedienvorschriften Anhaltspunkte für Fehlerquellen und unzulässige Messwertabweichungen, setzt die Verurteilung eines vermeintlichen „Temposünders“ voraus, dass das Gericht im Einzelfall feststellen kann, dass solche Messfehler zulasten des Betroffenen ausgeschlossen sind.

Einen solchen Fall musste nun das OLG Celle entscheiden: Ein Autofahrer wurde mit dem Geschwindigkeitsmessgerät LEIVTEC XV3 kontrolliert. Hiernach sollte er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h um 37 km/h überschritten haben. Das Amtsgericht (AG) hatte ihn deshalb zu einer Geldbuße von 140 EUR verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von einem Monat verhängt.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen hin hob das OLG dieses Urteil auf und verwies das Verfahren zur erneuten Entscheidung an das AG zurück. Grund: Die für die Bauartprüfung dieses Messgeräts zuständige Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) konnte zwischenzeitlich bei bestimmten Versuchsanordnungen seltene Messfehler reproduzieren, die zulässige Toleranzen überschritten. Da der Abschlussbericht der PTB nicht eindeutig erkennen lässt, unter welchen Messbedingungen sich Messwertabweichungen zu Ungunsten bzw. ausschließlich zugunsten Betroffener auswirken können, sieht der Senat bei diesem Messgerät derzeit keine hinreichende Gewähr mehr für die Annahme eines standardisierten Messverfahrens und für die Zuverlässigkeit der erzielten Messergebnisse.

Folge: Das AG muss deshalb mithilfe eines Sachverständigengutachtens genauer klären, ob in diesem konkreten Einzelfall die ausgewiesene Geschwindigkeitsüberschreitung sicher festzustellen ist.

Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 18.6.2021, 2 Ss (Owi) 69/21

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Geschwindigkeitsüberschreitung: Gleiches Recht für alle: Schneller als die Polizei erlaubt

Der Verkehrsverstoß eines Polizeibeamten während einer Dienstfahrt außerhalb von Sonderrechten bei dienstlichen Einsätzen ist nicht bloß mit einem Verwarnungsgeld zu ahnden. So hat das Amtsgericht (AG) Landstuhl entschieden.

Der Betroffene, ein Polizeibeamter, hatte gegenüber einer ihm zur Last gelegten Geschwindigkeitsüberschreitung Folgendes geltend gemacht: Er habe sich mit einem zivilen Dienst-Kfz auf dem Weg zu einem Dienstgeschäft befunden und sei wegen eines Rückstaus in Zeitverzug gewesen. Um das terminierte Dienstgeschäft (jährlicher Pflichtleistungsnachweis (Prüfung) mit der Dienstpistole) zeitgerecht erledigen zu können, sei er mit 119 km/h anstelle der zulässigen 80 km/h gefahren. Die Sicht auf die die Geschwindigkeit beschränkenden Verkehrszeichen sei durch neben ihm fahrende Kraftfahrzeuge (LKW) verwehrt gewesen.

Das AG hat das nicht gelten lassen und ist bei seiner Entscheidung von der Regelgeldbuße ausgegangen, die es wegen vorsätzlicher Begehungsweise verdoppelt hat. Der Polizeibeamte hatte nämlich auch noch während der Fahrt ein Telefonat angenommen.

Quelle | AG Landstuhl, Urteil vom 11.5.2021, 2 OWi 4211 Js 4647/21

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Schadenersatz: Wertminderung auch bei jungem Kfz mit niedrigem Schaden?

Ist das unfallbeschädigte Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt erst ca. drei Monate alt, liegt der Wiederbeschaffungswert bei knapp mehr als 30.000 Euro und betragen die Reparaturkosten ca. 3.100 Euro, ist eine Wertminderung anzunehmen. Dies hat das Amtsgericht (AG) Köln jetzt entschieden.

Der Versicherer wollte wegen des im Verhältnis zum Wiederbeschaffungswert niedrigen Schadens keine Wertminderung erstatten. Der Geschädigte hatte demgegenüber auf Grundlage des Schadengutachtens 350 Euro eingeklagt. Der Gerichtsgutachter hielt 500 Euro für richtig. Daraufhin hatte der Geschädigte die Klage entsprechend erweitert.

Das AG hat die Kernargumente des Gerichtsgutachters übernommen: Da der Pkw bei dem Unfall erst knapp drei Monate alt war und mit rund 2.725 km eine geringe Laufleistung aufweist, konkurriert er auf dem Markt mit Fahrzeugen, die aufgrund ihres Alters in der Regel keine Vorschäden aufweisen. Folge: Bei solchen Fahrzeugen ist ein deutlicher Preisnachlass als Kaufanreiz anzubieten, damit ein Käufer bereit ist, über 30.000 Euro in ein junges Gebrauchtfahrzeug zu investieren und nicht auf ein unbeschädigtes Fahrzeug zurückgreift.

Quelle | AG Köln, Urteil vom 14.5.2021, 269 C 125/20

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Reparaturkosten: Wenn der Pkw zwecks Gutachtenerstellung teilweise zerlegt wird

Wird ein Fahrzeug teilweise zerlegt, damit das Gutachten erstellt werden kann, sind die dafür entstandenen Kosten vom Schädiger zu tragen. Unerheblich ist, ob er die Teilzerlegung für unnötig hält. Denn auch die Teilzerlegung fällt unter das vom Schädiger zu tragende Werkstatt- bzw. Prognoserisiko. So sieht es das Amtsgericht (AG) Tettnang.

Der Geschädigte muss allerdings im Gegenzug zur Zahlung des Versicherers ihm gegenüber der Werkstatt evtl. zustehende Ansprüche auf Rückzahlung an den Versicherer abtreten.

Quelle | AG Tettnang, Urteil vom 20.5.2021, 3 C 639/20

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Restwertermittlung: Örtlicher Markt auch am Unfallort denkbar

Erleidet das Fahrzeug bei einem Haftpflichtschaden fernab seines üblichen Standorts einen Totalschaden, ist es vernünftig, dass der Geschädigte es dort belässt. Denn die Verwertung kann auch dort stattfinden. In dem Fall darf der Schadengutachter Restwertangebote in der Region des Unfallorts einholen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG Hamm) klargestellt.

Der Versicherer bemängelte den Restwert dahingehend, dass der Schadengutachter ihn nicht am Heimatort oder Geschäftssitz des Geschädigten ermittelt habe. Damit sei der Restwert falsch, und deshalb könne der Versicherer mit seinem Überangebot durchdringen. Das OLG Hamm sieht das anders: Die Entscheidung des Klägers, die Abwicklung des Schadensfalls in der Region des Unfallorts vorzunehmen, entsprach danach wirtschaftlicher Vernunft, weil er sonst gehalten sein könnte, das verunfallte und nicht mehr fahrtüchtige Fahrzeug auf Kosten der Beklagten an seinen Wohnort oder – was hier aufgrund der zumindest teilweisen geschäftlichen Nutzung des Fahrzeugs ebenfalls in Betracht kam – zum Sitz seines Vermessungsbüros in einem anderen Bundesland zu überführen. Für die Annahme, dass ein wohnort- oder geschäftssitznaher Händler bereit wäre, das Fahrzeug ohne entsprechende Berücksichtigung der dadurch entstehenden Kosten bei der Kalkulation des Ankaufspreises am Unfallort abzuholen, fehle jede Grundlage, vielmehr liege dies bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise sogar fern.

Quelle | OLG Hamm, Urteil vom 11.12.2020, 11 U 5/20

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Kfz-Haftpflichtversicherung: Keine Halterhaftung, wenn mit Fremdfahrzeug das eigene Kfz beschädigt wird

Wer das eigene Fahrzeug mit einem fremden Fahrzeug beschädigt, muss im Hinblick auf die Abrechnungsmöglichkeit mit dem Haftpflichtversicherer des schädigenden Fahrzeugs vorsichtig sein. Je nach Fall kann die verschuldensunabhängige Halterhaftung aus der sog. Betriebsgefahr ausgeschlossen sein, sodass der Versicherer des Schädigerfahrzeugs nicht eintrittspflichtig ist. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden.

Seine Hilfsbereitschaft wurde einem Autofahrer zum Verhängnis: Der Geschädigte wollte einem anderen Verkehrsteilnehmer helfen, dessen Auto auszuparken, weil der als Rollstuhlfahrer so, wie sein Fahrzeug stand, nicht einsteigen konnte. Dann kam der Geschädigte aber mit der speziellen Bedieneinrichtung nicht zurecht, verlor die Kontrolle und beschädigte sein eigenes, ebenfalls dort geparktes Fahrzeug. Der BGH: Dieser Vorgang fällt unter eine Ausnahmeregelung der Straßenverkehrsordnung, sodass die Halterhaftung nicht greift, weil der Geschädigte selbst beim Betrieb des Schädigerfahrzeugs tätig war.

Ähnlich ist es auch bei Unfällen zu sehen, wenn jemand mit seinem Privat-Pkw vorneweg fährt und dessen Halter mit einem Firmenwagen hinterherfährt oder der Werkstattmitarbeiter ein Kundenfahrzeug fährt und seinen eigenen Pkw beschädigt.

Quelle | BGH, Urteil vom 12.1.2021, VI ZR 662/20

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Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht

Erstes Cum-Ex-Strafverfahren: Bundesgerichtshof bestätigt Vorinstanz

Das Landgericht (LG) hatte den Angeklagten im Zusammenhang mit sog. Cum-Ex-Geschäften in den Jahren 2007 bis 2011 wegen Steuerhinterziehung in mehreren Fällen zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten verurteilt. Gegen den Mitangeklagten hat es wegen mehrerer Fälle der Beihilfe zur Steuerhinterziehung eine Bewährungsstrafe von einem Jahr verhängt. Zudem hat es bei dem Angeklagten Taterträge in Höhe von 14 Millionen Euro sowie bei einem Bankhaus in Höhe von ca. 176 Millionen Euro eingezogen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die gegen dieses Urteil eingelegten Revisionen verworfen und nur den Schuldspruch in Bezug auf den Mitangeklagten im Detail geändert. Fazit: Die Geltendmachung tatsächlich nicht einbehaltener Kapitalertragsteuer gegenüber den Finanzbehörden auf der Grundlage derartiger Cum-Ex-Geschäfte erfüllt den Straftatbestand der Steuerhinterziehung.

Die Feststellungen des Landgerichts

Der Angeklagte und Verantwortliche des Bankhauses verabredeten in den Jahren 2007 bis 2011, deutsche Finanzbehörden durch wahrheitswidrige Erklärungen zur Erstattung angeblich gezahlter Kapitalertragsteuer in Millionenhöhe zu veranlassen, die tatsächlich aber nicht entrichtet wurde. Hierfür plante und organisierte der Angeklagte zahlreiche vom Bankhaus durchgeführte Cum-Ex-Leerverkaufsgeschäfte, die wie folgt abliefen: Das Bankhaus kaufte in der Dividendensaison der Jahre 2007 bis 2011 von Leerverkäufern jeweils kurz vor dem Hauptversammlungstag Aktien mit Dividendenanspruch (sog. „Cum-Aktien“); die Leerverkäufer lieferten – wie von vornherein geplant und auch gewollt – Aktien ohne Dividendenanspruch (sog. „Ex-Aktien“) und leisteten zur Kompensation an das Bankhaus je eine Ausgleichszahlung (sog. Dividendenkompensationszahlung), für die ab dem Jahr 2007 Kapitalertragsteuer zu entrichten ist. Allen Beteiligten war als Bankkaufleuten bekannt, dass diese Steuer weder aufseiten der Leerverkäufer noch sonst einbehalten wurde. Gleichwohl stellte das Bankhaus sich selbst Steuerbescheinigungen zur Vorlage bei den Finanzbehörden aus, mit denen es – fälschlicherweise – den angeblichen Steuereinbehalt bestätigte. Unter Vorlage dieser Bescheinigungen bei den Finanzbehörden erreichten vor allem die o. g. Verantwortlichen des Bankhauses, dass an die Einziehungsbeteiligte zu Unrecht insgesamt über 166 Millionen Euro ausbezahlt wurden. Aus diesen Taterträgen erwirtschaftete die Einziehungsbeteiligte weitere 10 Millionen Euro.

In den Jahren 2009 bis 2011 war der Angeklagte noch an weiteren Fällen maßgeblich beteiligt, in denen die umgesetzte Strategie dem Vorgehen in den Eigenhandelsfällen des Bankhauses entsprach, jedoch eigens für diesen Zweck gegründete Fonds die Rolle des Leerkäufers übernahmen. Nach Vorlage – inhaltlich falscher – Steuerbescheinigungen, die den angeblichen Steuereinbehalt für die durchgeführten Cum-Ex-Transaktionen bestätigten, zahlten die Finanzbehörden an die Fonds zu Unrecht über 226 Millionen Euro aus.

Der Angeklagte profitierte von den Geschäften insgesamt in Höhe von 14 Millionen Euro. Hingegen war der Mitangeklagte an den Profiten nicht beteiligt; ihm kamen auch nur unterstützende Aufgaben zu.

So entschied der Bundesgerichtshof

Der BGH spricht Klartext: An einer vorsätzlichen Begehung konnte – wie das LG ohne Rechtsfehler ausgeführt hat – kein Zweifel bestehen, weil die Beteiligten um den Dividendenstichtag herum bewusst arbeitsteilig auf die Auszahlung nicht abgeführter Kapitalertragsteuer hingewirkt haben. Zum Zeitpunkt der Begehung der Taten sah das Gesetz bereits in den insoweit einschlägigen Vorschriften eine klare und eindeutige Regelung vor, gegen die die Beteiligten nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des LG verstoßen haben. Dies ergibt sich schon daraus, dass nur die tatsächlich einbehaltene Kapitalertragsteuer zur Anrechnung und Auszahlung angemeldet werden darf. Zudem betrifft die von der Revision angeführte Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum wirtschaftlichen Eigentum solche Konstellationen nicht, weil der bloße Abschluss derartiger Leerverkaufsabreden kein wirtschaftliches Eigentum begründen konnte.

Revisionen erfolglos

Die Revisionen des Angeklagten und des Bankhauses gegen die sie betreffenden Einziehungsentscheidungen blieben ohne Erfolg. Das LG hat auf Grundlage der rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen die Voraussetzungen der jeweiligen Einziehung zu Recht bejaht und anhand der erzielten Taterträge und der hieraus gezogenen Nutzungen die Höhe der Einziehungsbeträge zutreffend bestimmt. Die Einziehung war auch nicht wegen Verjährung ausgeschlossen. Ebenso wenig drang die Staatsanwaltschaft mit ihren Beanstandungen durch. Die getroffene Anordnung wies, so der BGH, keinen Rechtsfehler auf.

Das Urteil des LG ist damit rechtskräftig.

Quelle | BGH, Urteil vom 28.7.2021, 1 StR 519/20, PM 146/21 vom 28.7.2021

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Markenrechtsstreit: Goldton des „Lindt-Goldhasen“ genießt Markenschutz

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt entschieden: Der Goldton des „Lindt-Goldhasen“ genießt Markenschutz.

Sachverhalt

Die Klägerinnen sind Gesellschaften der Unternehmensgruppe Lindt & Sprüngli, die hochwertige Schokolade herstellt. Eines der Produkte der Klägerinnen ist der „Lindt-Goldhase“, der seit dem Jahr 1952 in Deutschland in goldener Folie und seit 1994 im aktuellen Goldton angeboten wird. Die Klägerinnen setzten in den letzten 30 Jahren in Deutschland mehr als 500 Millionen Goldhasen ab. Der „Lindt-Goldhase“ ist der mit Abstand meistverkaufte Schokoladenosterhase Deutschlands. Sein Marktanteil betrug in Deutschland im Jahr 2017 über 40%. Nach einer von den Klägerinnen vorgelegten Verkehrsbefragung ordnen 70% der Befragten den für die Folie des „Lindt-Goldhasen“ verwendeten goldenen Farbton im Zusammenhang mit Schokoladenhasen dem Unternehmen der Klägerinnen zu.

Die Beklagte ist ebenfalls Herstellerin von Schokoladenprodukten. Sie vertrieb in der Ostersaison 2018 ebenfalls einen sitzenden Schokoladenhasen in einer goldfarbenen Folie. Die Klägerinnen sind der Auffassung, sie seien Inhaberinnen einer Benutzungsmarke an dem Goldton des „Lindt-Goldhasen“. Die Beklagte habe diese Marke durch den Vertrieb ihrer Schokoladenhasen verletzt. Die Klägerinnen nehmen die Beklagte auf Unterlassung des Vertriebs ihrer Schokoladenhasen in Anspruch. Außerdem verlangen sie von ihr die Erteilung von Auskünften und begehren die Feststellung ihrer Schadenersatzpflicht.

Was bisher geschah

Das Oberlandesgericht (OLG) hat die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, die Klage sei unbegründet, weil die Klägerinnen nicht Inhaberinnen einer Benutzungsmarke im Sinne des Markengesetzes an dem goldenen Farbton des „Lindt-Goldhasen“ seien. Der Farbton habe für die Ware Schokoladenhasen keine Verkehrsgeltung erlangt.

Das sagt der Bundesgerichtshof

Der BGH hat der Revision der Klägerinnen stattgegeben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Klägerinnen haben nachgewiesen, dass der Goldton des „Lindt-Goldhasen“ innerhalb der beteiligten sog. Verkehrskreise als Marke Verkehrsgeltung für Schokoladenhasen erlangt hat. Nach der vorgelegten Verkehrsbefragung beträgt der Zuordnungsgrad des für die Folie des „Lindt-Goldhasen“ verwendeten goldenen Farbtons im Zusammenhang mit Schokoladenhasen zum Unternehmen der Klägerinnen 70% und übersteigt damit die erforderliche Schwelle von 50% deutlich. Der Erwerb von Verkehrsgeltung setzt nicht voraus, dass das Farbzeichen als „Hausfarbe“ für sämtliche oder zahlreiche Produkte des Unternehmens verwendet wird. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der Verkehr dann, wenn der Goldton für andere Schokoladenhasen als den bekannten „Lindt-Goldhasen“ verwendet würde, darin einen Herkunftshinweis auf die Klägerinnen sähe. Das ist eine Frage der Verwechslungsgefahr, die sich erst im Rahmen der Prüfung einer Verletzung der Farbmarke stellt. Gegen eine Verkehrsgeltung des Goldtons spricht schließlich nicht, dass er zusammen mit ebenfalls verkehrsbekannten Gestaltungselementen des „Lindt-Goldhasen“ (sitzender Hase, rotes Halsband mit goldenem Glöckchen, Bemalung und Aufschrift „Lindt GOLDHASE“) eingesetzt wird. Entscheidend ist, dass die angesprochenen Verkehrskreise in einer Verwendung dieses Goldtons für Schokoladenhasen auch dann einen Herkunftshinweis sehen, wenn er zusammen mit diesen anderen Gestaltungselementen verwendet wird.

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das Berufungsgericht prüfen müssen, ob die Beklagte die Benutzungsmarke der Klägerinnen an dem Goldton des „Lindt-Goldhasen“ durch den Vertrieb ihrer in goldfarbener Folie verpackten Schokoladenhasen verletzt hat.

Quelle | BGH, Urteil vom 29.7.2021, I ZR 139/20, PM 147/2021 vom 29.7.2021

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Berechnung der Verzugszinsen

Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten.

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Juli 2021 bis zum 30. Dezember 2021 beträgt -0,88 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze):

Übersicht /  Basiszinssätze

Zeitraum Zinssatz
01.01.2021 bis 30.06.2021 -0,88 Prozent
01.07.2020 bis 31.12.2020 -0,88 Prozent
01.01.2020 bis 30.06.2020 -0,88 Prozent
01.07.2019 bis 31.12.2019 -0,88 Prozent
01.01.2019 bis 30.06.2019 -0,88 Prozent
01.07.2018 bis 31.12.2018 -0,88 Prozent
01.01.2018 bis 30.06.2018 -0,88 Prozent
01.07.2017 bis 31.12.2017 -0,88 Prozent
01.01.2017 bis 30.06.2017 -0,88 Prozent
01.07.2016 bis 31.12.2016 -0,88 Prozent
01.01.2016 bis 30.06.2016 -0,83 Prozent
01.07.2015 bis 31.12.2015 -0,83 Prozent
01.01.2015 bis 30.06.2015 -0,83 Prozent
01.07.2014 bis 31.12.2014 -0,73 Prozent
01.01.2014 bis 30.06.2014 -0,63 Prozent
01.07.2013 bis 31.12.2013 -0,38 Prozent
01.01.2013 bis 30.06.2013 -0,13 Prozent
01.07.2012 bis 31.12.2012 0,12 Prozent
01.01.2012 bis 30.06.2012 0,12 Prozent
01.07.2011 bis 31.12.2011 0,37 Prozent
01.01.2011 bis 30.06.2011 0,12 Prozent
01.07 2010 bis 31.12.2010 0,12 Prozent
01.01.2010 bis 30.06.2010 0,12 Prozent
01.07 2009 bis 31.12.2009 0,12 Prozent
01.01.2009 bis 30.06.2009 1,62 Prozent
01.07.2008 bis 31.12.2008 3,19 Prozent
01.01.2008 bis 30.06.2008 3,32 Prozent
01.07.2007 bis 31.12.2007 3,19 Prozent
01.01.2007 bis 30.06.2007 2,70 Prozent