September 2022

Arbeitsrecht

Formerfordernis: Vorsicht bei Scan als Unterschrift: Keine wirksame Befristung eines Arbeitsvertrags möglich

Für eine wirksame Befristung eines Arbeitsvertrags reicht eine eingescannte Unterschrift nicht aus. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitsvertrag nur für einige wenige Tage geschlossen worden ist. So hat es das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg entschieden.

Das war geschehen

Die Klägerin war für ein Unternehmen des Personalverleihs tätig. Bei Aufträgen von entleihenden Betrieben und mit Einverständnis der Klägerin zu einer angeforderten Tätigkeit schlossen der Personalverleiher und die Klägerin über mehrere Jahre mehr als 20 kurzzeitig befristete Arbeitsverträge. Diese bezogen sich jeweils auf die anstehende ein- oder mehrtätige Tätigkeit, zuletzt auf eine mehrtätige Tätigkeit als Messehostess. Hierzu erhielt die Klägerin jeweils einen auf diese Tage befristeten Arbeitsvertrag mit einer eingescannten Unterschrift des Geschäftsführers des Personalverleihers. Die Klägerin unterschrieb diesen Vertrag und schickte ihn per Post an den Personalverleiher als Arbeitgeber zurück.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Unwirksamkeit der zuletzt vereinbarten Befristung mangels Einhaltung der Schriftform geltend gemacht. Der Personalverleiher hat geltend gemacht, es sei für die Einhaltung der Schriftform nicht erforderlich, dass der Arbeitnehmerin vor Arbeitsaufnahme eine im Original unterschriebene Annahmeerklärung des Arbeitgebers zugehe. Zudem verhalte sich die Klägerin widersprüchlich, wenn sie sich gegen eine Praxis wende, die sie lange Zeit unbeanstandet mitgetragen habe.

Scan ist weder Unterschrift noch qualifizierte Signatur

Das LAG hat der Klage, wie bereits zuvor das Arbeitsgericht (ArbG), stattgegeben. Die vereinbarte Befristung sei mangels Einhaltung der zwingend vorgeschriebenen Schriftform unwirksam. Schriftform erfordere eine eigenhändige Unterschrift oder eine qualifizierte elektronische Signatur. Der vorliegende Scan einer Unterschrift genüge diesen Anforderungen nicht, da keine Eigenhändigkeit vorliegt. Den Anforderungen an eine qualifizierte elektronische Signatur genüge ein Scan ebenfalls nicht.

Auch nachträgliche eigenhändige Unterzeichnung reicht nicht aus

Eine etwaige spätere eigenhändige Unterzeichnung des befristeten Vertrags auch durch den Personalverleiher führe nicht zur Wirksamkeit der Befristung. Vielmehr müsse die eigenhändig unterzeichnete Befristungsabrede bei der Klägerin als Erklärungsempfängerin vor Vertragsbeginn vorliegen.

Nicht rechtskonforme Praxis: nicht schützenswert

Dass die Klägerin diese Praxis in der Vergangenheit hingenommen habe, stehe der jetzt innerhalb der dreiwöchigen Frist nach dem vorgesehenen Befristungsablauf erhobenen Klage nicht entgegen. Die Klägerin verhalte sich mit ihrer Klage nicht treuwidrig, vielmehr sei ein etwaiges arbeitgeberseitiges Vertrauen in eine solche nicht rechtskonforme Praxis nicht schützenswert. Aufgrund der Unwirksamkeit der Befristungsabrede bestehe das Arbeitsverhältnis bis zur Beendigung durch die zwischenzeitlich ausgesprochene Kündigung fort.

Quelle | LAG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16.3.2022, 23 Sa 1133/21, PM Nr. 07/22 vom 13.4.2022

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Bundesarbeitsgericht: Beweislast im Überstundenvergütungsprozess

Der Arbeitnehmer muss zur Begründung einer Klage auf Vergütung geleisteter Überstunden erstens darlegen, dass er Arbeit in einem die Normalarbeitszeit übersteigenden Umfang geleistet oder sich auf Weisung des Arbeitgebers hierzu bereitgehalten hat. Zweitens muss der Arbeitnehmer vortragen, dass der Arbeitgeber die geleisteten Überstunden ausdrücklich oder konkludent angeordnet, geduldet oder nachträglich gebilligt hat, da der Arbeitgeber Vergütung nur für von ihm veranlasste Überstunden zahlen muss. Diese vom Bundesarbeitsgericht (BAG) entwickelten Grundsätze zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast für die Leistung von Überstunden durch den Arbeitnehmer und deren Veranlassung durch den Arbeitgeber werden durch die auf Unionsrecht beruhende Pflicht, ein System zur Messung der vom Arbeitnehmer geleisteten täglichen Arbeitszeit einzuführen, nicht verändert.

Das war geschehen

Der Kläger war als Auslieferungsfahrer bei der Beklagten beschäftigt, die ein Einzelhandelsunternehmen betreibt. Seine Arbeitszeit erfasste der Kläger mittels technischer Zeitaufzeichnung, wobei nur Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, nicht jedoch die Pausenzeiten aufgezeichnet wurden. Zum Ende des Arbeitsverhältnisses ergab die Auswertung der Zeitaufzeichnungen einen positiven Saldo von 348 Stunden zugunsten des Klägers. Mit seiner Klage hat der Kläger Überstundenvergütung von über 5.000 Euro brutto verlangt. Er hat geltend gemacht, er habe die gesamte aufgezeichnete Zeit gearbeitet. Es sei nicht möglich gewesen, Pausen zu nehmen, weil sonst die Auslieferungsaufträge nicht hätten abgearbeitet werden können. Die Beklagte hat dies bestritten.

So sahen es die Vorinstanzen

Das Arbeitsgericht (ArbG) hat der Klage stattgegeben. Es hat gemeint, durch das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH), wonach die Mitgliedstaaten die Arbeitgeber verpflichten müssen, ein objektives, verlässliches und zugängliches Arbeitszeiterfassungssystem einzuführen, werde die Darlegungslast im Überstundenvergütungsprozess modifiziert. Die positive Kenntnis von Überstunden als eine Voraussetzung für deren arbeitgeberseitige Veranlassung sei jedenfalls dann nicht erforderlich, wenn der Arbeitgeber sich die Kenntnis durch Einführung, Überwachung und Kontrolle der Arbeitszeiterfassung hätte verschaffen können. Ausreichend für eine schlüssige Begründung der Klage sei, die Zahl der geleisteten Überstunden vorzutragen. Da die Beklagte ihrerseits nicht hinreichend konkret die Inanspruchnahme von Pausenzeiten durch den Kläger dargelegt habe, sei die Klage begründet.

Das Landesarbeitsgericht (LAG) hat das Urteil des ArbG geändert und die Klage – mit Ausnahme bereits von der Beklagten abgerechneter Überstunden – abgewiesen.

Bundesarbeitsgericht: Pauschale Behauptung reicht nicht aus

Die hiergegen gerichtete Revision des Klägers hatte vor dem BAG keinen Erfolg. Das LAG hatte richtig erkannt, dass vom Erfordernis der Darlegung der arbeitgeberseitigen Veranlassung und Zurechnung von Überstunden durch den Arbeitnehmer auch nicht vor dem Hintergrund der genannten Entscheidung des EuGH abzurücken ist. Diese ist zur Auslegung und Anwendung der Arbeitszeitrichtlinie (Richtlinie 2003/88/EG) und gemäß der Charta der Grundrechte der EU (Art. 31 GRCh) ergangen. Nach gesicherter Rechtsprechung des EuGH beschränken sich diese Bestimmungen darauf, Aspekte der Arbeitszeitgestaltung zu regeln, um den Schutz der Sicherheit und der Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten. Sie sind indes grundsätzlich nicht auf die Vergütung der Arbeitnehmer anzuwenden. Die unionsrechtlich begründete Pflicht zur Messung der täglichen Arbeitszeit wirke sich deshalb nicht auf die nach deutschem materiellen und Prozessrecht entwickelten Grundsätze über die Verteilung der Darlegungs- und Beweislast im Überstundenvergütungsprozess aus. Hiervon ausgehend hat das LAG zutreffend angenommen, der Kläger habe nicht hinreichend konkret dargelegt, dass es erforderlich gewesen sei, ohne Pausenzeiten durchzuarbeiten, um die Auslieferungsfahrten zu erledigen. Die bloße pauschale Behauptung ohne nähere Beschreibung des Umfangs der Arbeiten genügt hierfür nicht. Das Berufungsgericht konnte daher offenlassen, ob die von der Beklagten bestrittene Behauptung des Klägers, er habe keine Pausen gehabt, überhaupt stimmt.

Quelle | BAG, Urteil vom 4.5.2022, 5 AZR 359/21, PM 16/22; EuGH, Urteil vom 14.5.2019, C-55/18 – [CCOO]

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Baurecht

Verbraucherbauvertrag: Oberlandesgericht stärkt Rechte von Bauherren

Ein Verbraucherbauvertrag liegt auch vor, wenn Bauherren beim Neubau eines Wohnhauses die Gewerke an einzelne Handwerksunternehmen vergeben. Diese höchstrichterlich bislang nicht geklärte Rechtsfrage hat das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken jetzt im Sinne der Bauherren entschieden. Damit können diese sich auf die hieraus ergebenden Verbraucherrechte berufen und sind nicht verpflichtet, einem Handwerksunternehmen eine sog. Bauhandwerkersicherung zu stellen.

Nachdem es zwischen einem Handwerksunternehmen und einem Bauherren-Ehepaar zum Streit über die Qualität der erbrachten Handwerksleistungen gekommen war, verweigerten die Eheleute, den Restbetrag in Höhe von ca. 8.000 Euro zu zahlen. Auch der Forderung des Handwerkers nach einer Sicherheitsleistung für diese ausstehende Summe, z. B. durch eine Bankbürgschaft, wollten sie nicht nachkommen. Das in erster Instanz angerufene Landgericht (LG) hatte die Bauherren noch verurteilt, die Bauhandwerkersicherung zu stellen.

Die hiergegen gerichtete Berufung der Eheleute hatte Erfolg. Das OLG: Der Anspruch des Handwerksunternehmens besteht bereits deshalb nicht, weil es sich hier um einen Verbraucherbauvertrag handelt. In dieser Situation greife ein gesetzlicher Ausschlusstatbestand zugunsten der Verbraucher. In der Rechtsprechung gebe es bislang keine Einigkeit darüber, ob der Anfang 2018 in das Gesetz eingeführte Verbraucherbauvertrag auch die gewerkeweise Vergabe von Aufträgen an verschiedene Bauunternehmer umfasst. Aus Gründen des Verbraucherschutzes könne es jedoch keinen Unterschied machen, ob ein Unternehmer alle Leistungen aus einer Hand erbringe oder die Bauherren die Leistungen einzeln vergeben würden. Zudem könnten Bauträger oder Generalübernehmer die Verbraucherschutzvorschriften ansonsten durch Herausnahme einzelner Leistungen umgehen. Dies sei vom Gesetzgeber nicht gewollt, so der Senat. Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen. Sie wurde bereits eingelegt.

Quelle | OLG Zweibrücken, Urteil vom 29.3.2022, 5 U 52/21, PM vom 9.5.2022

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Familien- und Erbrecht

Ehescheidung: Zwei querschnittsgelähmte Ehegatten: Wohnungszuweisung

Die Zuweisung einer gemeinsamen Ehewohnung nach Scheidung eines kinderlosen Ehepaars richtet sich vorrangig danach, wer stärker auf ihre Nutzung angewiesen ist. Sind beide Ehegatten querschnittsgelähmt, sind in die Abwägung insbesondere der Grad der Pflegebedürftigkeit sowie die sozialen Bindungen an das Umfeld einzubeziehen. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die vom Amtsgericht (AG) ausgesprochene Zuweisung der Wohnung an den früheren Ehegatten bestätigt, da er u.a. im höheren Maße auf pflegerische Unterstützung angewiesen ist und die Wohnung in seinem früheren Elternhaus liegt.

Das war geschehen

Die Beteiligten heirateten 2005 und sind seit einem Jahr rechtskräftig geschieden. Die Ehe blieb kinderlos. Sie streiten um die Überlassung der in ihrem Miteigentum befindlichen Ehewohnung anlässlich ihrer Scheidung. Die 130 qm große Wohnung befindet sich im Elternhaus des Antragstellers. Sie verfügt über Wohn- und ein Schlafzimmer, Küche, Flur, einen Anbau und zwei behindertengerechte Bäder. Gegenwärtig nutzen der Antragsteller das Schlafzimmer und ein Bad und die Antragsgegnerin das Wohnzimmer und ein Bad.

Der Antragsteller ist seit 1984 querschnittsgelähmt und auf tägliche Pflege in Form der Unterstützung bei der An- und Entkleidung sowie beim Toilettengang angewiesen. Seine seit 2018 beschäftigte Pflegekraft ist mittlerweile seine Lebensgefährtin. Die Antragsgegnerin ist seit 1976 querschnittsgelähmt und ebenfalls, wenn auch nicht im selben Umfang, auf eine Pflegekraft angewiesen. Sie benötigt keine Hilfe beim Toilettengang.

So sahen es die Gerichte

Das AG hatte die Antragsgegnerin verpflichtet, dem Antragsteller die Wohnung ab dem 1.7.2022 zur alleinigen Nutzung zu überlassen. Das OLG verlängerte die Frist bis zum 1.11.2022 und wies im Übrigen die Beschwerde der Antragsgegnerin zurück. Ein Ehegatte könne die Überlassung der Ehewohnung anlässlich der Scheidung u.a. dann verlangen, wenn er auf deren Nutzung in stärkerem Maße angewiesen ist als der andere oder aus anderen Gründen der Billigkeit. Dabei seien alle die Lebensverhältnisse der Ehegatten bestimmenden Umstände in eine Gesamtabwägung einzubeziehen. Hier sei der Antragsteller insbesondere wegen der erforderlichen Anwesenheit einer Pflegeperson auf eine größere Wohnung angewiesen als die Antragsgegnerin. Der Pflegebedarf des Antragstellers übersteige den der Antragsgegnerin.

Der Antragsteller habe bereits vor Einzug der Antragsgegnerin in der Wohnung gewohnt und sei in dem Ort, an dem er seit 1987 lebe, sozial verwurzelt. Sein Bruder wohne ebenfalls im Haus. Zu berücksichtigen sei, dass der Antragsteller eine in der Nähe wohnende Lebensgefährtin habe. Trotz der besseren wirtschaftlichen Verhältnisse sei er stärker auf die Nutzung der Ehewohnung angewiesen als die Antragsgegnerin, die nicht über vergleichbare Bindungen im Ort verfüge.

Ehemann hatte höheres Schutzbedürfnis

Ergänzend sei zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Billigkeitsabwägung auch dem schützenswerten Interesse des Antragstellers, im elterlichen Haus wohnen zu bleiben, erhebliches Gewicht zukomme. Dass die Antragsgegnerin an der Finanzierung des Wohnungskaufs beteiligt gewesen sei, könne den höheren sozialen Bezug des Antragstellers zur bewohnten Wohnung nicht mindern. Die Überlassungsfrist sei jedoch wegen der erheblichen Schwierigkeiten der Antragsgegnerin, angesichts ihrer körperlichen Einschränkungen angemessenen Ersatzwohnraum zu finden, bis November zu verlängern. Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 18.5.2022, 6 UF 42/22, PM 43/22

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Unterhaltsverpflichtung: Höhe des Kindesunterhalts und mietfreies Wohnen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt klargestellt: Das mietfreie Wohnen beeinflusst nicht die Höhe des Kindesunterhalts.

Die Mutter und der Vater sind miteinander verheiratet, leben aber getrennt. Sie haben drei minderjährige Kinder. Sie leben seit der Trennung in einer Immobilie, die zu 60 % im Miteigentum des Vaters und zu 40 % im Miteigentum der Mutter steht. Weder Ehegattenunterhalt noch Nutzungsentschädigung werden verlangt oder gezahlt.

Der Vater verpflichtete sich, für die Kinder ab dem 1.4.2016 115 % des Mindestunterhalts nach der Düsseldorfer Tabelle zu zahlen. Die Mutter wollte jedoch, dass jeweils 128 % des Mindestunterhalts der Düsseldorfer Tabelle ab dem 1.8.2016 zu zahlen sind. Zudem hat sie für zwei Kinder Mehr- und für ein Kind Sonderbedarf wegen einer kieferorthopädischen Behandlung geltend gemacht. Der Vater ist als Bundesbeamter in der Informationstechnik, die Mutter ist in Teilzeit mit 25 Stunden wöchentlich beruflich tätig.

Die Frage der teilweisen Deckung des Bedarfs mittels teilweiser Gewährung einer Wohnung wirkte in diesem Fall auf den gesamten Unterhaltsanspruch aus. Der BGH entschied dies, wie eingangs beschrieben. Er stellte klar: Die kostenfreie Zurverfügungstellung von Wohnraum wird vorrangig im unterhaltsrechtlichen Verhältnis zwischen den Eltern ausgeglichen. Ein unterhaltsrechtlicher Ausgleich kann auch darin bestehen, dass der Betreuungselternteil keinen Anspruch auf Trennungsunterhalt geltend machen kann, weil nach der Zurechnung des vollen Wohnwerts keine auszugleichende Einkommensdifferenz zwischen den Eltern mehr besteht.

Der BGH weiter: Die Eltern können eine – nach den Umständen des Einzelfalls gegebenenfalls auch konkludente – Vereinbarung darüber treffen, dass die Wohnungskosten durch den Naturalunterhalt des Barunterhaltspflichtigen abgedeckt werden. Für die Erfüllung des Barunterhaltsanspruchs aufgrund einer solchen Vereinbarung trifft den Barunterhaltsschuldner die Darlegungs- und Beweislast. Bevor die Haftungsquote für den anteiligen Mehrbedarf bestimmt wird, ist von den Erwerbseinkünften des betreuenden Elternteils der Barunterhaltsbedarf der Kinder nach den gemeinsamen Einkünften der Eltern zu bestimmten. Hiervon abzuziehen sind das hälftige auf den Barunterhalt entfallende Kindergeld und der vom Kindesvater geleistete Barunterhalt. In der verbleibenden Höhe leistet der betreuende Elternteil neben dem Betreuungsunterhalt restlichen Barunterhalt in Form von Naturalunterhalt. Die andere Hälfte des Kindergelds, die der betreuende Elternteil erhält, ist nicht einkommenserhöhend zu berücksichtigen.

Quelle | BGH, Beschluss vom 18.5.2022, XII ZB 325/20, Abruf-Nr. 230374 unter www.iww.de

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Erbschaftsteuer: Urenkel sind keine Enkel: Das gilt auch im Steuerrecht

Urenkel haben auch bei Vorversterben beider vorangegangener Generationen keinen Anspruch auf einen höheren Freibetrag als den von 100.000 Euro nach dem Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG). Das hat das Finanzgericht (FG) Niedersachsen entschieden.

Die Erblasserin hatte eine Stieftochter und einen Stiefenkel, den Vater der Klägerin, die beide vor dem Tod der Erblasserin verstorben sind. Das Finanzamt berücksichtigte einen Freibetrag von 100.000 Euro nach § 16 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG, die Klägerin begehrte allerdings erfolglos den Ansatz des Freibetrags von 200.000 Euro nach § 16 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG, da sowohl ihr Vater als auch ihre Großmutter bereits vorverstorben seien. Der Freibetrag für Kinder verstorbener Kinder gelte auch für Urenkel. Doch das FG sah das anders. Das FG folgt damit der bereits im AdV-Beschluss (AdV=Antrag auf Aussetzung der Vollziehung) des Bundesfinanzhofs (BFH) vorgenommenen Auslegung, sodass der BFH voraussichtlich eine Revision zurückweisen dürfte. Bei Schenkungen durch vermögende Urgroßeltern sollte also darauf geachtet werden, dass der für jeweils ein Urenkelkind vorgesehene Anteil den Freibetrag von 100.000 Euro nicht überschreitet, damit Freibeträge optimal ausgeschöpft werden können.

Das FG hat die Revision zugelassen.

Quelle | FG Niedersachsen, Urteil vom 28.2.2022, 3 K 210/21

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Mietrecht und WEG

Legionellen im Trinkwasser: Für eine Minderung muss keine konkrete Gefahr bestehen

Um festzustellen, ob ein Mietmangel vorliegt, der zu einer Minderung berechtigt, kommt es nicht darauf an, ob die Nutzung der Trinkwasserversorgung tatsächlich zu einer Gesundheitsgefährdung geführt hat. Es reicht aus, dass eine Gefährdung nicht ausgeschlossen werden kann. In einem solchen Fall aufgrund einer Legionellenbelastung ist eine Minderung der Miete um 10 Prozent gerechtfertigt. So sieht es das Amtsgericht (AG) Berlin-Wedding.

Vermieter informierte

2014 teilte der Vermieter den Mietern mit, dass bei einer Untersuchung der Trinkwasseranlage der technische Maßnahmewert für Legionellen überschritten worden sei. 2018 teilte er des Weiteren mit, dass der maximal gemessene Wert 800 KBE/100 ml betrage. Mit diversen Schreiben in 2019 bis 2021 informierte der Vermieter über die Ergebnisse weiterer Untersuchungen, die bei Werten zwischen 700 und 11.800 KBE/100 ml lagen. Er bat in dieser Zeit um vorbeugende Maßnahmen. So sollten die Mieter z. B. Tätigkeiten unterlassen, bei denen Warmwasser fein zerstäubt wird. Ferner sollten sie das Warmwasser vor dem Duschen ablaufen lassen und die Duschköpfe und -schläuche regelmäßig entkalken.

Mieter reagierten

Die Mieter forderten 2021 die Bestätigung einer Minderung der Miete i. H. v. 25 Prozent. Zudem sollte der Vermieter überzahlte Miete erstatten. Der Vermieter weigerte sich. Daraufhin klagten die Mieter. Sie argumentierten, der Gebrauch der Mietsache sei durch die deutlichen Überschreitungen der Grenzwerte im Trinkwasser erheblich beeinträchtigt. Folge: Eine Minderung sei berechtigt. Der Vermieter hielt dem entgegen, dass infolge der bisherigen und aktuellen Konzentration von Legionellen keine Gesundheitsgefährdung und damit kein Mietminderungsrecht bestehe.

So entschied das Amtsgericht

Das AG gab den Mietern Recht. Ein Mangel einer Mietwohnung, der ihre Tauglichkeit zum vertragsgemäßen Gebrauch aufhebe oder mindere, sei eine nachteilige Abweichung des tatsächlichen Zustands der Mietsache vom vertraglich geschuldeten. Maßgebend sei, was der Mieter für den vereinbarten Nutzungszweck erwarten könne.

Mögliche Gesundheitsgefährdung rechtfertigt Mietminderung

Für die Annahme eines Mangels genüge es, wenn die Mietsache nur in Befürchtung einer Gefahr benutzt werden könne, die aufgrund des Zustands der Sache den Eintritt eines Schadens erwarten lasse. So habe es der Bundesgerichtshof (BGH) bereits im Jahr 2006 entschieden. Einer Sicherheit, dass eine Gesundheitsgefährdung bei Nutzung des Trinkwassers tatsächlich eingetreten sei, bedürfe es nicht. Entscheidend sei, dass eine Gesundheitsgefährdung nicht ausgeschlossen werden könne und der Mieter in ständiger Gefahrbesorgnis lebe. Der Mangel ende daher nicht, bevor der Mieter nachvollziehbar entwarnt worden sei.

Geringere Mietminderung: Gesundheitsgefährdung trat nicht ein

Doch das Gericht gewährte nur eine Minderung i. H. v. 10 Prozent. Es begründete den geringen Wert damit, dass eine höhere Mietminderung nur gerechtfertigt sei, wenn tatsächlich eine Gesundheitsgefährdung bestehe oder eine Erkrankung infolge der Legionellenbelastung eingetreten sei.

Quelle | AG Wedding, Urteil vom 17.3.2022, 13 C 335/21

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Prozesskostenhilfe: Vermietung von Wohnraum „pro Matratze“ sittenwidrig

Die Vermietung von Wohnraum „pro Matratze“ ist sittenwidrig und damit nichtig. Eine beabsichtigte Klage eines Pächters nach fristloser Kündigung des Pachtvertrags auf Schadenersatz u.a. wegen entgangener Mieteinnahmen hat keine Erfolgsaussicht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. hat die Beschwerde eines Pächters von drei Gebäuden in Wiesbaden gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.

Das war geschehen

Der Antragsteller pachtete vom Antragsgegner im Frühjahr 2014 für zehn Jahre in Wiesbaden drei Gebäude. Er durfte die Gebäude zu Wohnzwecken nutzen und untervermieten. 2015 erging eine polizeiliche Kontrolle der Gebäude, bei der man 61 Personen in den Gebäuden antraf. Durch lokale Berichterstattung wurde die dortige Wohnsituation Ende 2016 als unverändert geschildert und informiert, dass Wohnraum „pro Matratze“ an osteuropäische Personen vermietet werde und das Gebäude verwahrlose. Nach Angaben des Ordnungsamts waren in dem Objekt 85 Personen gemeldet. 2018 wurde anlässlich von Ortsterminen des Sozialdezernenten und Mitarbeitern des Baudezernats erneut von unveränderten Zuständen lokal berichtet. Es erfolgte u.a. ein Verwaltungsbescheid zur unverzüglichen Bekämpfung des infolge Vermüllung vorhandenen Rattenbefalls.

Der Antragsgegner kündigte den Pachtvertrag im Mai 2019 fristlos wegen Zahlungsverzugs und erteilte dem Antragsteller ein Hausverbot. Dieser forderte dagegen Erstattung von Renovierungskosten und verwies auf nicht eingehaltene Verkaufspläne. Mit dem streitgegenständlichen Antrag begehrt er Prozesskostenhilfe, um den Antragsgegner auf Zahlung von gut 100.000 Euro Schadenersatz zu verklagen. Das Landgericht (LG) hatte den Antrag zurückgewiesen.

Keine Aussicht auf Erfolg: keine Prozesskostenhilfe für Klage

Die hiergegen eingelegte Beschwerde hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Die beabsichtigte Klage sei nicht erfolgversprechend, begründete das OLG seine Entscheidung. Dem Antragsteller stünden keinerlei Zahlungsansprüche gegen den Antragsgegner zu. Pflichtverletzungen des Antragsgegners im Zusammenhang mit dem Verkauf lägen nicht vor. Das Pachtverhältnis sei zudem wegen Verwahrlosung der Pachtsache und Zahlungsverzugs wirksam fristlos gekündigt worden. Der Antragsteller habe die Pachtsache durch Vernachlässigung der ihm obliegenden Sorgfaltspflichten erheblich gefährdet und sie unbefugt Dritten überlassen. Der Zustand ergebe sich aus den Feststellungen im ordnungspolizeilichen Bescheid. Zudem habe der Antragsteller die Angaben in den Presseberichten nicht konkret bestritten.

Sittenwidrigkeit: keine entgangenen Mieteinnahmen

Durch das Hausverbot habe der Antragsgegner zwar verbotene Eigenmacht ausgeübt. Ein Anspruch auf entgangene Mieteinnahmen stehe dem Antragsteller nicht zu, da das Pachtverhältnis wirksam gekündigt war. Zudem wäre eine Untervermietung der Räume angesichts des Zustands der Pachtsache schwer oder gar nicht möglich gewesen. Die Polizei habe im August 2019 festgestellt, dass der Aufenthalt von Menschen in den Räumen einen Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstelle. Gesundheitsschutz und Gefahrenabwehr hätten gegen ein Aufenthaltsrecht gesprochen. Ob die zuvor praktizierte Untervermietung gegen die guten Sitten verstieß, bedürfe hier zwar keiner Entscheidung. Eine Vermietung von Wohnraum pro Matratze an osteuropäische Personen sei jedoch sittenwidrig und führe zur Nichtigkeit der Untermietverhältnisse. Diese Untermietverhältnisse verstießen auch gegen das Verbot der Überbelegung von Wohnraum gemäß dem Hessischen Wohnungsaufsichtsgesetz (§ 7 HWoAufG). Die Entscheidung kann nicht angefochten werden.

Quelle | OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 18.5.2022, 2 W 45/22, PM Nr. 51/2022 vom 23.6.2022

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Verbraucherrecht

Windenergieanlagen: Ist Infraschall im Abstand von zwei Kilometern gesundheitsschädlich?

Zwei Kläger haben von den Betreibern von Windenergieanlagen Schadenersatz wegen der Beeinträchtigung ihrer Grundstücke durch sog. Infraschall (Schall unterhalb des hörbaren Bereiches) verlangt. Vor dem Oberlandesgericht (OLG) Hamm blieben sie jedoch erfolglos.

Vorinstanzliche Rechtsprechung

Die Kläger sind Eigentümer von selbst genutzten Wohngrundstücken in einer Entfernung von knapp unter bzw. knapp über zwei Kilometern zu Windenergieanlagen. Sie haben ihr Schadenersatzbegehren mit der Behauptung gesundheitlicher Beeinträchtigungen durch Infraschall begründet, der von den Windenergieanlagen auf ihre Grundstücke gelange. Nach Abweisung der Klagen durch die Landgerichte (LG) Detmold und Paderborn haben sie ihre Klagen jeweils mit einer Berufung vor dem OLG – erfolglos – weiterverfolgt.

Oberlandesgericht bestätigt Entscheidungen

Zur Begründung führte das OLG aus, dass die Kläger aufgrund der Rechtskraft von verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen nicht mehr mit der Behauptung der vorgebrachten Beeinträchtigungen gehört werden können. Beide Kläger waren vor dem Verwaltungsgericht (VG) Minden ohne Erfolg gegen die Genehmigung der Windenergieanlagen vorgegangen. Das OLG sah sich aus Rechtsgründen an die rechtkräftigen Urteile des VG gebunden. Dieses hatte die Anfechtungsklagen jeweils mit der Begründung zurückgewiesen, dass eine rechtlich relevante Beeinträchtigung der klägerischen Grundstücke nicht vorliege.

Sachverständigengutachten: keine wesentlichen Beeinträchtigungen

Zusätzlich, so das OLG in beiden Urteilen, spreche aufgrund der im Zivilverfahren eingeholten Sachverständigengutachten viel dafür, dass von den Windenergieanlagen der Beklagten keine wesentlichen Beeinträchtigungen auf die klägerischen Grundstücke einwirken. Der Sachverständige habe überzeugend dargelegt, dass die theoretisch bestimmbaren Schalldruckpegel des Infraschalls auf den klägerischen Grundstücken um mehrere Größenordnungen unterhalb der menschlichen Wahrnehmung lägen. Zudem sei der von den Windenergieanlagen ausgehende Infraschall auf den klägerischen Grundstücken praktisch nicht mehr messbar, da die von den Anlagen ausgehende Schallwelle in einer Entfernung von rund zwei Kilometern in dem vom Wind verursachten Schall untergehe.

Das OLG ist zu dem Ergebnis gekommen, schon aus Gründen der Rechtskraft an die Feststellungen des VG, dass eine wesentliche Beeinträchtigung nicht besteht, gebunden zu sein. Letztlich blieb offen, ob andernfalls noch ein medizinisch-biologisches Sachverständigengutachten zur Klärung einzuholen gewesen wäre. Es ging um die Frage, ob Infraschall, wie er hier von den über 200 Meter hohen Anlagen ausgeht, wegen einer von den Klägern behaupteten spezifischen Ausprägung als Teil des allgemeinen Infrarauschens auch noch unterhalb der Wahrnehmungsschwelle geeignet ist, die Gesundheit durch Einwirkungen auf körperliche Rezeptoren oder Systeme trotz einer Entfernung von etwa zwei Kilometern zu beeinträchtigen.

Keine Revision zugelassen

Der Senat hat die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) nicht zugelassen. Die Kläger können daher nur noch Nichtzulassungsbeschwerde erheben.

Quelle | OLG Hamm, Urteile vom 5.5.2022, I-24 U 199/19 und I-24 U 1/20, PM vom 6.5.2022

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Corona-Pandemie: Keine Entschädigung für Reiseveranstalter im März 2020

Ein Reiseveranstalter kann im Fall der Reisestornierung keine Entschädigung verlangen, wenn unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände die Reisedurchführung erheblich beeinträchtigen. Ob eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist, ist prognostisch zu beurteilen. Ausreichend ist eine erhebliche Eintrittswahrscheinlichkeit (20 bis 25 Prozent). Das im März 2020 unbekannte und unberechenbare Pandemiegeschehen ermöglichte keine belastbaren Prognosen, so dass eine Wahrscheinlichkeit von 50 zu 50 Prozent bestand. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat mit seiner Entscheidung deshalb den Entschädigungsanspruch des Reiseveranstalters nach Stornierung abgelehnt.

Das war geschehen

Der Kläger buchte für sich und seine Frau im August 2018 bei der Beklagten eine mehrtägige Flugreise nach Kanada, die – nach Umbuchung – im Juli/August 2020 stattfinden sollte. Er zahlte den Preis von gut 6.000 Euro an die Beklagte. Nach den Reisebedingungen entfällt im Fall des Rücktritts der Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis. Der Reiseveranstalter kann dann jedoch eine angemessene Entschädigung verlangen, die bis zum 31. Tag vor Reisebeginn 25 Prozent des Reisepreises beträgt. Keine Entschädigung kann verlangt werden, „wenn am Bestimmungsort oder in unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise ... erheblich beeinträchtigen“.

Mitte März 2020 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er unter Symptomen des Corona-Virus leide und die Reise im Hinblick auf die Umstände u.a. in Kanada storniere. Eine angebotene Verschiebung der Reise auf das Folgejahr lehnte er ab und begehrte vor dem Landgericht (LG) Rückzahlung des vollen Reisepreises. Die Beklagte zahlte nach Klageerhebung 90 Prozent zurück. Das LG verurteilte die Beklagte, auch die zwischen den Parteien streitigen restlichen 10 Prozent zu zahlen.

Voller Reisepreis war zu erstatten

Die Berufung hiergegen hatte auch vor dem OLG keinen Erfolg. Der Kläger könne Rückerstattung auch des restlichen Reisepreises verlangen. Die Beklagte habe durch das eindeutig als Rücktritt auszulegende Schreiben des Klägers vom März 2020 ihren Anspruch auf den Reisepreis verloren und habe keinen Anspruch auf Entschädigung für die Stornierung in Höhe von den hier geltend gemachten 10 Prozent des Reisepreises. Der Entschädigungsanspruch sei vielmehr gemäß den Reisebedingungen im Hinblick auf vorliegende unvermeidbare außergewöhnliche Umstände, die die Reisedurchführung beeinträchtigten, ausgeschlossen. Ob eine derartige Beeinträchtigung vorliege, sei prognostisch zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung zu beurteilen. Auf spätere – zwischen Rücktrittserklärung und ursprünglich geplantem Reisebeginn – eintretende geänderte Umstände zugunsten oder zulasten einer Partei komme es nicht mehr an.

Erhebliche vs. überwiegende Eintrittswahrscheinlichkeit eines Ereignisses

Dabei bestehe ein Rücktrittsrecht wegen nicht voraussehbarer höherer Umstände schon dann, „wenn mit dem Eintritt des schädigenden Ereignisses mit erheblicher, und nicht erst dann, wenn mit ihm mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu rechnen ist“. Eine Eintrittswahrscheinlichkeit ab einer Größenordnung von 20 bis 25 % genüge in der Regel. Dies markiere zugleich „die Grenze zwischen lediglich subjektiv empfundenen Gefahren und einer sachlich begründeten Befürchtung für erhebliche Beeinträchtigungen“. Diese erhebliche Wahrscheinlichkeit habe hier bestanden. Die Parteien seien sich einig, dass bei Kündigung bereits Reisebeschränkungen bestanden und es sich bei dem bis dahin völlig unbekannten SARS-Cov-2-Virus und der möglichen Pandemie um ein unberechenbares Geschehen handele, für dessen weitere Entwicklung im März 2020 keine sicheren oder auch nur belastbaren Prognosen aufgestellt werden konnten. Könne bei zwei Alternativen keine Aussage über die Wahrscheinlichkeit des Eintritts der einen oder anderen gemacht werden, bestehe eine Wahrscheinlichkeit von jeweils 50 zu 50 Prozent.

Soweit zwischen Rücktritt und Reisebeginn ein Zeitraum von vier Monaten gelegen habe, habe der Kläger auch nicht noch abwarten müssen, wie sich die Verbreitung und die Gefahren der Pandemie weiterentwickelten. Eine derartige Wartefrist sei gesetzlich nicht vorgesehen. Ein Zuwarten sei dem Reisenden auch nicht zumutbar.

Gegen das Urteil ist die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen worden.

Quelle | OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 30.6.2022, 16 U 132/21, PM 55/22

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Schufa-Datenhaltung: Sechs Monate nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens ist Schluss mit der Schufa-Datenverarbeitung

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) hält daran fest, dass dem Insolvenzschuldner regelmäßig ein Löschungsanspruch gegen die Schufa Holding AG zusteht, wenn diese Daten aus dem Insolvenzbekanntmachungsportal ohne gesetzliche Grundlage länger speichert und verarbeitet, als dies in der Verordnung zu öffentlichen Bekanntmachungen in Insolvenzverfahren im Internet (InsoBekVO) vorgesehen ist. Auch bei der Berechnung eines Score-Wertes darf die Schufa die Daten zum Insolvenzverfahren danach nicht mehr berücksichtigen.

Das war geschehen

Über das Vermögen des Klägers wurde das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 25.3.2020 hat das Amtsgericht (AG) das Verfahren aufgehoben. Die Information wurde im amtlichen Internetportal veröffentlicht. Die Schufa pflegte diese Daten von dort in ihren Datenbestand ein, um diese ihren Vertragspartnern bei laufenden Vertragsbeziehungen und Auskunftsanfragen zum Kläger mitzuteilen. Der Kläger begehrte Ende 2020 von der Schufa, die Daten zu löschen, da die Verarbeitung zu erheblichen wirtschaftlichen und finanziellen Nachteilen bei ihm führe. Eine uneingeschränkte Teilhabe am Wirtschaftsleben sei ihm nicht möglich. Er könne u.a. nur noch gegen Vorkasse bestellen und keine neue Wohnung mieten.

Die Schufa wies die Ansprüche des Klägers zurück und verwies darauf, dass sie die Daten entsprechend den Verhaltensregeln des Verbandes „Die Wirtschaftsauskunfteien e.V.“ erst drei Jahre nach Speicherung lösche. Die Daten seien bonitätsrelevante Informationen und daher für die Schufa und ihre Vertragspartner von berechtigtem Interesse. Das Landgericht (LG) hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers vor dem OLG hatte Erfolg.

Nach sechs Monaten muss Datenverarbeitung aufhören

Der Kläger kann von der Schufa verlangen, die Verarbeitung der Informationen zu seinem Insolvenzverfahren sechs Monate nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens zu unterlassen. Nach Ablauf dieser Frist überwiegen die Interessen und Grundrechte des Klägers gegenüber den berechtigten Interessen der Schufa und ihrer Vertragspartner, sodass sich die Verarbeitung nicht mehr als rechtmäßig im Sinne der Datenschutz-Grundverordnung (DS-GVO) darstellt.

Abwägung: Schufa-Interessen vs. Grundrechte der Person

Es ist eine konkrete Abwägung zwischen den Interessen der Schufa und ihrer Vertragspartner an der Verarbeitung der Daten und den durch die Verarbeitung berührten Grundrechten und Interessen des Klägers anzustellen. Der Kläger hat ein Interesse daran, möglichst ungehindert am wirtschaftlichen Leben teilnehmen zu können, nachdem die Informationen über sein Insolvenzverfahren aus dem Insolvenzbekanntmachungsportal gelöscht worden sind. Dieses Interesse geht dem eigenen wirtschaftlichen Interesse der Schufa als Anbieterin von bonitätsrelevanten Informationen vor. Auch gegenüber typisierend zu betrachtenden Interessen der Vertragspartner sind die Interessen des Klägers vorrangig, da keine besonderen Umstände in der Person des Klägers oder seines Insolvenzverfahrens erkennbar sind, die eine Vorratsdatenspeicherung bei der Schufa über den Zeitraum der Veröffentlichung im Insolvenzbekanntmachungsportal hinaus rechtfertigen könnten. Die Schufa kann sich nicht auf die in den Verhaltensregeln des Verbandes der Wirtschaftsauskunfteien genannte Speicherfrist von drei Jahren berufen. Diese Verhaltensregeln entfalten keine Rechtswirkung zulasten des Klägers. Sie vermögen auch keine Abwägung der Interessen vorzuzeichnen oder zu ersetzen.

Das OLG hat die Revision zugelassen.

Quelle | Schleswig-Holsteinisches OLG, Urteil vom 3.3.2022, 17 U 5/22, PM 2/22

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Verkehrsrecht

Preisminderung: Bezeichnung eines Ausstellungsfahrzeugs als Neuwagen

Das Amtsgericht (AG) München verurteilte einen Automobilhersteller, im Wege der Minderung 1.000 Euro des bereits gezahlten Kaufpreises eines Sportwagens an die Klägerin wieder zurückzuzahlen.

Das war geschehen

Die Klägerin erwarb Ende des Jahres 2019 in einer Münchner Niederlassung des Automobilherstellers einen Sportwagen mit einem Listenpreis von 61.788,90 Euro für 54.604,10 Euro. Der Pkw, der bereits 2018 produziert worden war, befand sich zurzeit des Kaufs in einer anderen Niederlassung des Automobilherstellers. Dort war der Sportwagen ausgestellt und konnte von Besuchern besichtigt werden. Zugelassen oder gefahren worden war das Fahrzeug nicht. Nur etwa einen Monat, nachdem die Klägerin ihren Wagen erhalten hatte, musste sie die Pannenhilfe in Anspruch nehmen, weil die Batterie defekt war. Zudem stellte sie Kratzer, kleinere Dellen und Abschürfungen, etwa an den Einstiegsleisten, fest.

Fahrzeug fabrikneu oder gebraucht?

Die Klägerin meint, sie habe anstatt eines fabrikneuen ein gebrauchtes Fahrzeug erhalten. Der ihr übergebene Wagen sei bereits benutzt und darüber hinaus auch beschädigt gewesen. Man habe ihr beim Kauf gesagt, dass sie ein Lagerfahrzeug kaufe, das aus einer anderen Niederlassung überführt werden müsse. Davon, dass dieses dort auch ausgestellt worden sei, habe sie jedoch nichts gewusst. Sie forderte daher eine Minderung des Kaufpreises in Höhe von 5.000 Euro.

Die Beklagte war der Ansicht, es handle sich trotz der vorherigen Ausstellung des Pkw noch um ein Neufahrzeug, denn schließlich sei dieses erstmals auf die Klägerin zugelassen worden. Es seien auch keine Probefahrten damit durchgeführt worden. Daher sei das Auto neu und kein Vorführwagen. Die beschädigte Batterie ersetzte die Beklagte bereits vor Prozessbeginn.

So sah es das Amtsgericht

Das AG gab der Klägerin grundsätzlich Recht: „Der gegenständliche Pkw war nach Wertung der hier konkret vorliegenden Umstände kein Neuwagen. Ein Fahrzeug ist dann ein Neuwagen, wenn es unbenutzt ist, das Modell des Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird, es keine durch längere Standzeit bedingten Mängel aufweist und wenn zwischen Herstellung des Fahrzeugs und Abschluss des Kaufvertrags nicht mehr als 12 Monate liegen.“ Das Gericht ging davon aus, dass ein „unbenutztes“ Kraftfahrzeug nicht nur bedeutet, dass es – wie hier – noch nicht zugelassen bzw. noch nicht gefahren wurde, sondern dass auch eine anderweitige Benutzung des Fahrzeugs dazu führen kann, dass es nicht mehr als „unbenutzt“ im Sinne der Neuwagendefinition des Bundesgerichtshofs (BGH) gilt.

Ausstellungsfahrzeug: nicht unbenutzt im Sinne von Neuwagendefinition

Bei Ausstellung eines Fahrzeugs in einer Niederlassung wird es jedenfalls von einer unbestimmten Anzahl von Personen innen und außen angefasst, Türen und Kofferraum werden vielfach geöffnet, es wird probegesessen, Sitze werden verstellt etc. Ein Ausstellungsfahrzeug in einer Niederlassung eines Automobilherstellers unterliegt somit einer wiederholten körperlichen Nutzung und ist daher nach Überzeugung des Gerichts nicht mehr unbenutzt.

5.000 Euro Minderung waren zu hoch angesetzt

Lediglich in der Höhe ihrer Forderung musste die Klägerin Abstriche machen. Eine Minderung um 5.000 Euro erschien dem Gericht überhöht. Bei der Minderung ist der Kaufpreis in dem Verhältnis herabzusetzen, in dem zurzeit des Vertragsschlusses der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand zu dem wirklichen Wert gestanden haben würde; die Minderung ist, soweit erforderlich, nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 441 Abs. 3 BGB) durch Schätzung zu ermitteln. Das AG schätzte hier den Minderungsbetrag auf 1.000 Euro. Dabei ließ es u. a. einfließen, dass einerseits die Vereinbarung „Neuwagen“ ein feststehender Begriff mit besonderer Relevanz beim Autokauf sei, andererseits jedoch bei Vertragsschluss bereits ein erheblicher Abschlag vom Listenpreis gewährt worden sei.

Quelle | AG München, Urteil vom 17.12.2021, 271 C 8389/21, PM 8/22 vom 25.2.2022

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Wiederholte Verkehrsdelikte: So wird man seinen Ferrari los

Ende 2021 hatte das Landgericht (LG) Hannover einen Mann wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Darüber hinaus hatte es insbesondere die Einziehung des Kraftfahrzeugs des Angeklagten angeordnet – eines Ferraris mit einem geschätzten Wert von 70.000 bis 100.000 Euro. Die hiergegen von dem Angeklagten eingelegte Revision hat das Oberlandesgericht (OLG) Celle nun verworfen.

Das OLG folgte dabei in vollem Umfang der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft. Insbesondere hielt es die Einziehung für verhältnismäßig.

Der Angeklagte war bereits wiederholt wegen Verkehrsdelikten in Erscheinung getreten. Die in Frage stehende Tat hatte er nur kurze Zeit nach dem Erlass eines Strafbefehls wegen einer Trunkenheitsfahrt begangen. Neben dem Straftatbestand des Fahrens ohne Fahrerlaubnis hatte er Verkehrsordnungswidrigkeiten in Form eines Rotlichtverstoßes und einer Geschwindigkeitsüberschreitung verwirklicht. Zudem war er noch kurz vor der erstinstanzlichen amtsgerichtlichen Verurteilung wiederum ohne Fahrerlaubnis mit einem anderen Pkw gefahren. Die Einziehung des Ferraris vernichte entgegen der Darstellung des Angeklagten auch nicht dessen wirtschaftliche Existenz. Das Urteil ist damit rechtskräftig.

Quelle | OLG Celle, Beschluss vom 27.4.2022, 2 Ss 46/22, PM vom 2.5.2022

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Verkehrsvergehen: Rotlichtverstoß mit einem SUV rechtfertigt höheres Bußgeld

Das Amtsgericht (AG) Frankfurt am Main hat entschieden: Bei Rotlichtverstößen mit einem sog. Sport Utility Vehicle (SUV) kann eine Erhöhung der Regelgeldbuße angemessen sein.

Der Betroffene fuhr in Frankfurt mit seinem Fahrzeug, einem SUV, das von seiner Bauart dadurch von normalen Kraftfahrzeugen in der Art abweicht, dass es über eine erhöhte Bodenfreiheit verfügt, in den durch die Lichtzeichenanlage geregelten Kreuzungsbereich ein. Die Rotphase dauerte zu diesem Zeitpunkt bereits länger als 1,1 Sekunden. Das AG sah aufgrund der besonderen Fahrzeugbeschaffung im konkreten Fall eine Erhöhung der hierfür durch den geltenden Bußgeldkatalog vorgesehenen Regelgeldbuße. Diese sei durch die erhöhte Betriebsgefahr des verwendeten Kraftfahrzeugs gerechtfertigt, dessen kastenförmige Bauweise und erhöhte Frontpartie das Verletzungsrisiko für andere Verkehrsteilnehmer erhöhe. Aufgrund der größeren abstrakten Gefährdung durch das Tatfahrzeug stelle sich nach Auffassung des AG der begangene Rotlichtverstoß gravierender als der Normalfall dar.

Quelle | AG Frankfurt a. M., Urteil vom 3.6.2022, 974 OWi 533 Js-OWi 18474/22, PM 6/22

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Geschwindigkeitsüberschreitung: 41 km/h zu schnell: Absehen vom Fahrverbot nur bei besonderer Härte

Das Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um mindestens 41 km/h indiziert grundsätzlich das Verhängen eines Fahrverbots von einem Monat. Davon kann nur abgesehen werden, wenn Anhaltspunkte für eine außergewöhnliche Härte vorliegen. Der Verlust des Arbeitsplatzes kann eine solche Härte darstellen. Dies bedarf jedoch der ausführlichen Begründung und Darlegung der zugrundliegenden Tatsachen. Die kritiklose Übernahme der Einlassung des Betroffenen durch den Tatrichter oder bloße Vermutungen genügen nicht. Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat deshalb ein amtsgerichtliches Urteil aufgehoben, mit dem das im Bußgeldbescheid verhängte Fahrverbot aufgehoben worden war.

Das Amtsgericht war milde

Der Betroffene überschritt die zulässige Höchstgeschwindigkeit auf der Autobahn A 3 um mindestens 43 km/h. Gegen ihn wurde daher nach der damals gültigen Bußgeldkatalogverordnung eine Geldbuße in Höhe von 160 Euro und ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Auf seinen Einspruch hin setzte das Amtsgericht (AG) die Geldbuße auf 320 Euro fest und hob das Fahrverbot auf. Der Betroffene hatte u.a. darauf hingewiesen, seit dem 1.10.2021 als Berufskraftfahrer zu arbeiten und sich noch in der Probezeit zu befinden. Ihm könne deshalb ohne Begründung gekündigt werden. Dies sei zu befürchten, wenn ein Fahrverbot festgesetzt werde. Das AG sah deshalb das Fahrverbot als besondere Härte an.

Fahrverbot: Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme

Wegen der dagegen eingelegten Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft hob das OLG den sog. Rechtsfolgenausspruch auf. Die Feststellungen des AG deckten nicht die Voraussetzungen dafür, vom Fahrverbot abzusehen. Die Ordnungswidrigkeit werde mit einer Regelgeldbuße von 160 Euro und einem Regelfahrverbot von einem Monat belegt. Das OLG: Bei dieser Zuwiderhandlung ist ein grober bzw. beharrlicher Pflichtverstoß indiziert, dessen Ahndung, abgesehen von besonderen Ausnahmen, eines Fahrverbots als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme bedarf.

Sei trotz eines Regelfalls ein Fahrverbot unangemessen, könne zwar hiervon abgesehen werden, z. B. wenn dem Betroffenen infolge des Fahrverbots der Verlust seines Arbeitsplatzes drohe. Insoweit fehlten jedoch tragfähige Urteilsfeststellungen. Die Feststellungen des AG beruhten allein auf den Angaben des Betroffenen. Aus welchen Gründen diese glaubhaft sind, sei nicht dargelegt. Es sei auch nicht erkennbar, ob Zweifel am Zutreffen dieser Angaben des Betroffenen aufgekommen seien.

So geht es weiter

Das OLG hat die Sache an das AG zurückverwiesen. Dieses muss nun weitere Feststellungen zur Frage treffen, ob das Fahrverbot im konkreten Fall eine besondere Härte darstellen würde.

Quelle | OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 26.4.2022, 3 Ss-OWi 415/22, PM 39/22 vom 5.5.2022

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Wirtschafts- und Gesellschaftsrecht

Schadenersatz: Daten ohne Einwilligung an Abrechnungszentrum weitergegeben

Die Weitergabe von Namen und Adresse eines Patienten ohne dessen Einwilligung an ein Abrechnungszentrum verstößt gegen die Datenschutz-Grundverordnung (hier: Art. 6 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 DS-GVO). Infolgedessen ist ein Schadenersatzanspruch nach der DS-GVO in Höhe von 1.500 Euro angemessen und ausreichend, sagt das Amtsgericht (AG) Pforzheim.

Das AG hatte dabei berücksichtigt, dass sich der von der Arztpraxis begangene Verstoß nicht als besonders schwerwiegend darstellt, insbesondere keinerlei Anhaltspunkte für ein systematisches Vorgehen oder gar eine Schädigungs- oder Bereicherungsabsicht erkennen lassen. Andererseits – so das Gericht – sieht das Gesetz einen Ausschluss vermeintlicher Bagatellschäden nicht vor. Vielmehr sei der Schadensbegriff der DS-GVO weit auszulegen und, da es sich um einen europarechtlichen Anspruch handele, nicht mit den bisher in Deutschland üblichen Beträgen für einen immateriellen Schadenersatz zu vergleichen. Um die geforderte Abschreckung zu erreichen, müsse der zuzusprechende Schadenersatz über einen rein symbolischen Betrag hinausgehen.

Quelle | AG Pforzheim, Urteil vom 27.1.2022, C 381/21

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Obliegenheitspflichten: Makler müssen auf die Bonität von Kaufinteressenten achten

Makler müssen im Rahmen ihrer Pflichten ihre Kunden auch über die relevanten Eigenschaften des potenziellen Vertragspartners aufklären. Haben sie Zweifel an der Bonität eines Kaufinteressenten, müssen sie den Verkäufer darüber informieren. Das stellte nun das Landgericht (LG) Frankenthal klar.

Makler dürfen keine falschen Tatsachen äußern oder weitergeben, dem Auftraggeber keine Angebote von Interessenten verheimlichen oder potenzielle Kunden durch falsche Aussagen abschrecken. Wie das LG nun klargestellt hat, müssen sie dem Auftraggeber darüber hinaus aber auch im Rahmen ihrer Aufklärungs- und Beratungspflicht solche Umstände mitteilen, die ggf. einem Vertragsschluss entgegenstehen und ihrem Wunsch zuwiderlaufen, die Provision zu erlangen. Verstoßen Makler gegen diese Grundsätze, machen sie sich schadenersatzpflichtig.

Quelle | LG Frankenthal, Urteil vom 7.5.0221, 1 O 40/20, Abruf-Nr. 229604 www.iww.de

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Berechnung der Verzugszinsen

Für die Berechnung der Verzugszinsen ist seit dem 1. Januar 2002 der Basiszinssatz nach § 247 BGB anzuwenden. Seine Höhe wird jeweils zum 1. Januar und 1. Juli eines Jahres neu bestimmt. Er ist an die Stelle des Basiszinssatzes nach dem Diskontsatz-Überleitungsgesetz (DÜG) getreten.

Der Basiszinssatz für die Zeit vom 1. Juli 2022 bis zum 31. Dezember 2022 beträgt -0,88 Prozent. Damit ergeben sich folgende Verzugszinsen:

Nachfolgend ein Überblick zur Berechnung von Verzugszinsen (Basiszinssätze).

Übersicht /  Basiszinssätze

Zeitraum Zinssatz
01.01.2022 bis 30.06.2022 -0,88 Prozent
01.07.2021 bis 31.12.2021 -0,88 Prozent
01.01.2021 bis 30.06.2021 -0,88 Prozent
01.07.2020 bis 31.12.2020 -0,88 Prozent
01.01.2020 bis 30.06.2020 -0,88 Prozent
01.07.2019 bis 31.12.2019 -0,88 Prozent
01.01.2019 bis 30.06.2019 -0,88 Prozent
01.07.2018 bis 31.12.2018 -0,88 Prozent
01.01.2018 bis 30.06.2018 -0,88 Prozent
01.07.2017 bis 31.12.2017 -0,88 Prozent
01.01.2017 bis 30.06.2017 -0,88 Prozent
01.07.2016 bis 31.12.2016 -0,88 Prozent
01.01.2016 bis 30.06.2016 -0,83 Prozent
01.07.2015 bis 31.12.2015 -0,83 Prozent
01.01.2015 bis 30.06.2015 -0,83 Prozent
01.07.2014 bis 31.12.2014 -0,73 Prozent
01.01.2014 bis 30.06.2014 -0,63 Prozent
01.07.2013 bis 31.12.2013 -0,38 Prozent
01.01.2013 bis 30.06.2013 -0,13 Prozent
01.07.2012 bis 31.12.2012 0,12 Prozent
01.01.2012 bis 30.06.2012 0,12 Prozent
01.07.2011 bis 31.12.2011 0,37 Prozent
01.01.2011 bis 30.06.2011 0,12 Prozent
01.07 2010 bis 31.12.2010 0,12 Prozent
01.01.2010 bis 30.06.2010 0,12 Prozent
01.07 2009 bis 31.12.2009 0,12 Prozent
01.01.2009 bis 30.06.2009 1,62 Prozent
01.07.2008 bis 31.12.2008 3,19 Prozent
01.01.2008 bis 30.06.2008 3,32 Prozent